Releasetermin: 29.09.2017

 

Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Japanisches Rollenspiel
Entwickler: Gust Co Ltd.
Herausgeber: Koei Tecmo Games

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Mit der Atelier-Reihe und Titeln wie Nights of Azure gilt Gust Co Ltd. als durchaus bekannte Spieleschmiede aus dem japanischen Raum. In letzter Zeit werden die deutschen Lokalisierungen ihrer Spiele mehr und mehr: zur PS1-Ära blieben viele JRPGs der Entwickler dem europäischen Raum verwehrt, heutzutage sieht das Ganze schon komplett anders aus. Auch Titel die vermeintlich nur eine winzige Nische bedienen erscheinen in Deutschland, oftmals sogar als physisches Release. Zu diesen Spielen gehört auch Blue Reflection, das neuste Werk von den Gust Co Ltd. Entwicklern. Ein knallbuntes Anime-Rollenspiel trifft auf Social-Sim-Elemente und erinnert dabei nicht selten an Genre-Meilensteine der Persona-Reihe. Kann Blue Reflection da mithalten?

Unterwegs in Gefühlen

Die Persona-Vergleiche kommen nicht von ungefähr: Blue Reflection spielt ähnlich wie der JRPG-Primus in einer japanischen Highschool und kombiniert Schulalltag mit Dungeon-Crawling. Hinako Shirai wirkt zunächst wie eine stinknormale Schülerin, bemerkt aber plötzlich, dass ihr übernatürliche Kräfte innewohnen. Zusammen mit ihren Mitschülerinnen Yuzu und Lime ist sie in der Lage ins sogenannte Common zu reisen. Dabei handelt es sich um eine Art Parallelwelt, die eine Kreation der Emotionen und Unsicherheiten aller Schüler der Schule ist. Egal ob verzweifelt, wütend auf die Lehrer oder von Einsamkeit geplagt – das Common spiegelt die Gefühlswelten direkt wieder und übt direkten Einfluss auf Stimmungsänderungen aus. Immer wenn Hinako einer belasteten Mitschülerin begegnet, wird sie magisch in ihr Unterbewusstsein gezogen um die Ursache der Gemütslage zu ergründen. Doch mit dem Lösen von unscheinbaren Alltagsproblemen ist in Blue Reflection ein wesentlich größeres Ziel verbunden: durch Verbessern der kollektiven Gefühlswelt im Common werden auch die Sephira, dämonische Wesen, die drohen die Welt zu zerstören, zurückgehalten.

Doch trist & dunkel wird Blue Reflection trotz der apokalyptischen Züge noch lange nicht. Ganz im Gegenteil, den Spieler erwartet eine knallbunte Anime-Optik mit zahlreichen Charakteren die äußerlich stark auf niedlich getrimmt sind. Das Design der Menüs und der Interfaces ist dabei sehr stylish, die restliche Präsentation hingegen leider eher durchwachsen. Die eigentlich recht ansehnliche Optik wird dabei von Gebieten heruntergezogen, die mit wenigen Details und mangelnder Abwechslung gestaltet wurden. Zwar unterscheiden sich die verschiedenen Abschnitte des Commons sehr stark voneinander, innerhalb eines Gebiets wartet das Spiel hingegen mit uninspirierter Gestaltung auf. Zusätzlich sind die Charaktere äußerlich sehr generisch gestaltet und das Monsterdesign ist weder niedlich, noch furchterregend oder auf irgendeine Weise besonders. Obwohl man Ängste und Sorgen hervorragend personifizieren könnte, hat man sich lieber für undefinierbare Cyber-Roboter und merkwürdige Monster-Gestalten entschieden. Diese Punkte wären allesamt noch relativ verschmerzbar, müsste man sich in den Kämpfen und Dialogsequenzen nicht zwischendurch auf enormes Ruckeln und Kantenflimmern einstellen.

Zwischen Dungeon-Crawling & Highschool-Leben

Zum Glück können die inneren Werte punkten: die spielerische Komponente von Blue Reflection ist zwar repetitiv, aber durchaus unterhaltsam. Während ihr in der realen Welt Kontakte pflegt und Beziehungen zu verschiedenen Charakteren aufbaut, erwartet euch in der Parallelwelt grundsolides Dungeon-Crawling. In den Kämpfen greift Blue Reflection auf ein rundenbasiertes System zurück, das vor allem Einsteigern sehr entgegenkommend ist. Recht selbsterklärend wechselt ihr zwischen Standard-Angriffen und magischen Spezial-Attacken, die von eurer MP-Leiste zerren. Dabei wird die Reihenfolge der Angreifer beider gegenüberstehenden Seiten oben am Bildschirm angezeigt. Mit bestimmten Angriffen können Gegner jedoch weitere Runden zurückgeworfen werden, investiert ihr zudem bestimmte Kräfte können in einer Runde mehrere Attacken hintereinander eingesetzt werden. Dazu kommen unterstützende Fähigkeiten, zusätzliche Charaktere, die euch bei bestimmen Angriffen zusätzlich stärken sowie der Einsatz von Items.

Level-Ups – die ihr auch durch euer soziales Leben erlangt – könnt ihr stets in eure gewollte Richtung (Angriff, Verteidigung, Unterstützung, Technik) investieren und so regelmäßig Werte-Boosts erhalten, die zeitgleich auch neue Fähigkeiten für eure Party freischalten. Obwohl ihr kein direktes Rüstungs-Management betreibt, könnt ihr eure Charaktere trotzdem zusätzlich taktisch anpassen. Rettet ihr Mitschüler vor ihrem Gefühlschaos, erhaltet ihr stets Fragmente, mit denen ihr einzelne Moves verbessern könnt. Zusätzliche Stärke, Regenerations-Boni oder Verteidigungs-Boosts sind nur einige Beispiele für mögliche Upgrades. Später könnt ihr eure Fragmente mit gesammelten Materialien weiter verbessern, um so beispielsweise die Regenerations-Boni weiter zu verbessern. Mir hat das Kampfsystem von Blue Reflection durchaus gefallen – die Möglichkeiten sind zwar relativ rudimentär, haben mit den Fragmenten oder der beeinflussbaren Runden-Reihenfolge aber durchaus interessante Ansätze. Leider bleibt das taktische Potenzial aber größtenteils ungenutzt, da der Anspruch des Titels relativ gering bleibt. Nach jedem Kampf werden eure Lebens- und Magiepunkte wieder vollständig aufgefüllt und Game-Over-Bildschirme werdet ihr eher selten zu Gesicht bekommen. JRPG-Experten könnten sich also wirklich unterfordert fühlen, andere freuen sich hingegen über den fehlenden Zwang zu ellenlangen Grinding-Sessions.

Fast im Visual-Novel-Genre

Der Fokus von Blue Reflection liegt ziemlich offensichtlich auf der Erzählung und den Beziehungen zwischen den einzelnen Charakteren. Der Dialoganteil ist sehr hoch, wer also nicht bereit ist viele der ausschließlich englischen Texte zu lesen – Sprachausgabe gibt es nämlich nur in japanischer Originalsprache – wird an der Handlung des Spiels nur wenig Gefallen finden. Doch gerade auf diesem Bereich macht Blue Reflection vieles richtig. Zwar sind einige Dialoge wirklich kitschig und einige Charaktere im Anime-Stil mit vollkommen überzeichneten Emotionen und schlagartigen Gefühlsänderungen vollgepackt. Trotzdem wirken die unscheinbaren Alltagsprobleme nachvollziehbar, da sie oft sehr bodenständig sind. Neid auf Klassenkameraden, falscher Ehrgeiz oder das Gefühl falsch verstanden zu werden sind nicht aus den Weiten des Himmels gegriffen, sondern werden glaubhaft inszeniert. Der Beziehungs-Aufbau mit Mitschülerinnen ist nicht besonders tiefgehend, fügt sich aber gut in das Gesamtkonzept des Spiels ein. Das Verbessern von Verhältnissen zu anderen Personen gibt euch nicht nur weitere Punkte für Level-Ups sondern trägt auch zum Lösen von Missionen bei. Weitere solcher Nebenaufgaben sind das Besuchen verschiedener Orte der Highschool oder das Retten weiterer Schüler.

Leider ist die Dungeon-Erkundung als solche wegen des schwachen Level-Designs eher unspektakulär. Oftmals muss nur ein bestimmter Gegner besiegt werden, in anderen Fällen müsst ihr bestimmte Items finden und aufsammeln. Zum Glück gibt es abseits der Rollenspiel-Aspekte weitere Abwechslung. Dazu gehört unter anderem FreeSpace, eine Art soziales Netzwerk, in dem ihr Text-Nachrichten mit anderen Charakteren austauschen könnt oder zwischendurch etwas Zeit in einem kleinen Aufzucht-Minispiel verbringen könnt. Außerdem könnt ihr hier über die Jukebox verschiedene Songs des Soundtracks hören – da dieser besonders innerhalb der Hochschule mit schönen Klavierstücken begeistern kann ist dies definitiv kein schlechtes Feature.

Wertung im Einzelnen
Grafik
7
Musik
8
Gameplay
6.5
Story
7
Abwechslung
6
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