Releasetermin: 27.01.2017


Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: JRPG
Entwickler: Bandai Namco Entertainment
Herausgeber: Bandai Namco Entertainment

 
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Das RTL2-Mittagsprogramm hatte zu meiner Grundschulzeit so einiges zu bieten. Ob Detektiv Conan, Pokémon, Yu-Gi-Oh! oder Dragonball Z – nicht selten schaute ich nach dem Mittagessen einige Folgen meiner Lieblings-Animes. Ein absoluter Klassiker, der bei mir persönlich jedoch nie so richtig zündete, war in dieser Zeit Digimon. Trotzdem war der Erfolg der Marke rund um die kleinen virtuellen Haustiere nach dem Vorbild von Tamagotchi beachtlich, neben Anime und Manga zog das auch eine Vielzahl an Videospielen mit sich. Erst vor ziemlich genau einem Jahr erschien Digimon Story: Cyber Sleuth Im Westen für die Playstation 4, bereits jetzt legt Bandai Namco mit Digimon World: Next Order nach. Ob das japanische Rollenspiel auch abseits des immensen Fanbonus überzeugen kann, klären wir im Test.

Und plötzlich war ich Held

Da möchte man sich nur kurz um seine Digimon kümmern, schon wird man in die digitale Welt der sprechenden Monster gezogen. Wieso dies dem Protagonisten Takuto widerfährt und wie er zurück in sein gewöhnliches Leben gelangen kann, ist zunächst unklar. Da jedoch auch die Welt der Digimon mit nicht minder wichtigen Probleme konfrontiert ist, versucht unser Charakter zunächst zu helfen, wo er nur kann. In der digitalen Welt sorgen die sogenannten Machinedramons, riesige Cyborg-Digimon, für Aufruhr und Takuto scheint einer Wenigen zu sein, die etwas gegen die gefährlichen Monster unternehmen können. Begleitet von zwei Partner-Digimon liegt es also am Spieler, mal eben die Welt zu retten und parallel das kleine Dorf Floatien nach dem letzten Angriff eines Machinedramon wieder zu einem schöneren Ort für Digimon zu machen.

Die Handlung von Digimon World: Next Order verläuft dabei exakt so, wie sie klingt: sehr simpel und weitestgehend unspektakulär. Doch sowohl in der Story als auch in den Dialogen und der generellen Präsentation wird deutlich, dass das Spiel es erzählerisch offensichtlich primär auf ein jüngeres Publikum absieht. In Anbetracht dessen hätte ich mir zwar trotzdem etwas mehr Innovation erhofft, durch die Einsteigerfreundlichkeit der Geschichte werden aber sowohl das Zielpublikum als auch Digimon-Neulinge etwas von der Geschichte mitnehmen können. Wer jedoch gerade aus der überdurchschnittlich gelungenen Geschichte von Digimon Story: Cyber Sleuth kommt, könnte bei Next Order etwas enttäuscht werden. Einige Nebenfiguren sind zwar sehr niedlich und die ein oder andere witzige Dialogzeile fällt gelegentlich auch, mindestens genauso viel der Geschichte ist aber kitschig oder wirkt wie schon hundert Mal zuvor gesehen. Aber wie der geringe Unterschied im Namenspräfix bereits vermuten lässt, legt Digimon World: Next Order seinen Fokus auf ganz andere Aspekte.

Kämpfende Haustiere

Auf das Echtzeit-Kampfsystem zum Beispiel. In diesem setzt ihr stets eure beiden Partner-Digimon ein und lasst diese gegen feindliche Artgenossen antreten. Die digitalen Wesen agieren dabei eigenständig und führen Angriffe aus, ihr als sogenannter Zähmer könnt ihre Aktionen jedoch beeinflussen. Drückt ihr zu einem beliebigen Zeitpunkt R1 oder L1 könnt ihr entsprechend eurem linken oder rechten Partner Befehle geben, damit diese zum Beispiel gewisse Attacken ausführen oder in Verteidigungsstellung gehen. Timing ist an dieser Stelle sehr wichtig: besonders da die verschiedenen Angriffe in ihrem Radius große Variationen aufweisen, kann ein Nahkampfangriff nur dann funktionieren, wenn er zeitlich gut abgepasst ist. Auch Schwächen und Resistenzen können bei euren Eingriffen beachtet und schließlich zum Grund eures Sieges werden. Genauso ist es auch möglich, Items in den Kampfring zu werfen, wodurch eure Digimon zum Beispiel geheilt werden oder einen Werte-Boost erhalten. Vor den Kämpfen könnt ihr außerdem eine Kampftaktik festlegen. Angriffe verbrauchen MP, je nach Taktik greifen eure Digimon daher eher auf kraftvolle Angriffe zurück, die dafür viele Punkte verbrauchen, oder setzen solche Attacken eher spärlich ein.

Inwiefern ihr euren Partnern Befehle erteilen könnt, hängt zusätzlich von einer zeitaufwendigen Mechanik außerhalb der Kämpfe zusammen. Damit ihr in den Kämpfen auf sie zählen könnt, müsst ihr sie wie ein Haustier pflegen. Digimon bekommen Hunger, müssen nicht selten auf die Toilette und werden nach einigen Trainingseinheiten müde oder erschöpft. Bei längeren Reisen durch die Welt der Digimon solltet ihr daher auf Standorte von stillen Örtchen achten oder alternativ mobile Toiletten transportieren. Bei der Nahrung zeigen sich eure Partner als wahre Feinschmecker und reagieren auf ihr präferiertes Gericht anders als auf den Rest. Seid ihr ein guter Pfleger und schickt eure Digimon auch nicht zu spät ins Bett, hat das Auswirkungen auf die Angriffe, auf die ihr in den Kämpfen zurückgreifen könnt. Je höher der Freundschaftsgrad, desto öfter könnt ihr umso stärkere Befehle erteilen. Das Kampfsystem und die Tamagotchi-Mechanik gehen Hand in Hand und sind in der Theorie auch ein wirklich interessantes Konzept. In der Praxis zeigen sich die Bedürfnisse der Digimon jedoch viel zu häufig, was dazu führt dass sich beispielsweise die ständige Fütterungszeit schon nach wenigen Stunden sehr nervig gestaltet, insbesondere da sie spielerisch keinerlei Anspruch beherbergt.

Trainieren bis zum Umfallen

Da es sich bei Digimon World: Next Order um ein zu meiner Überraschung recht anspruchsvolles Abenteuer handelt, werdet ihr eine Menge Zeit mit dem Training eurer Digimon verbringen müssen. Wer jetzt an elendig lange Grinding-Sessions denkt, liegt zwar nicht ganz falsch – übermäßig viele Kämpfe gegen feindliche Monster werdet ihr aber nicht bestreiten müssen. Stattdessen werdet ihr viel Zeit in einem Fitnessstudio in Floatien verbringen. Ja, ihr habt richtig gelesen. Ihr wählt das Gerät aus, an dem eure Digimon trainieren sollen, es folgt ein klitzekleines Geschicklichkeitsminispiel und im Anschluss wurden entsprechende Werte um einige Punkte gesteigert. Haben eure Digimon ein gewisses Alter erreicht, werden sie je nach Werteverteilung mehrmals in eine neue Form digitieren und ihr Aussehen teilweise komplett verändern. Nach knapp 15 Ingame-Tagen werden eure Partner das Zeitliche segnen und ihr könnt euch wie auch am Beginn des Abenteuers erneut zwei Start-Digimon aus einer Palette auswählen. Damit ihr nicht wieder komplett bei null anfangen müsst, werden eure neuen Partner einige Werteverbesserungen aus ihrem früheren Leben mitnehmen. Trotzdem kommt ihr nicht drum herum zunächst wieder einige Zeit im Trainingsraum zu verbringen, bevor ihr euch überhaupt wieder an Kämpfen zu versuchen braucht. Die zunächst willkürlichen Digitationen werden mit steigender Spieldauer immer weiter aufgeschlüsselt, sodass ihr später nach einem Rezept die Attribute eurer Monster steigert, um euer gewünschtes Digimon zu entwickeln.

Die Möglichkeit eine Vielzahl verschiedener Digimon spielen zu können und nicht nur ständig mit den gleichen Charakteren durch die Spielwelt zu laufen, hat definitiv seinen Reiz. Gerade durch die vielen ikonischen Kreaturen, die besonders Fans des Animes seit Jahren bekannt sind, entsteht eine ganz ähnliches Phänomen wie bei der Pokémon-Reihe. Doch in meinen Augen hat das System von Digimon World: Next Order trotzdem zwei ganz entscheidende Nachteile. Erstens ist die Zeit, die ihr mit der Neuaufzucht eurer Kreaturen verbringen müsst, definitiv zu hoch. Über den Spielverlauf schaltet ihr zwar diverse Vereinfachungen frei, trotzdem sind die ständigen Besuche des Trainingsraumes repetitiv und spielerisch unbefriedigend. Zweitens widersprechen die ständigen Formwechsel und Tode der Digimon sehr dem zentralen Beziehungssystems des Spiels. Um auch außerhalb der permanenten Bemutterung eine größere Bindung zu den Figuren aufzubauen, wirken sie mir durch die Reduzierung auf Kampfmaschinen durchweg zu fremd.

Der Weg zum Profi-Zähmer

Doch nicht nur eure Digimon erhöhen ihre Werte und lassen sich in ihrem Angriffen verbessern, auch der Protagonist steigert seine Stufe mit der Zeit. Bei jedem Stufenaufstieg erhaltet ihr Zähmerpunkte, die ihr im Anschluss in verschiedene Äste eines Fähigkeitenbaums investieren könnt. So ist es beispielsweise möglich die übernommenen Attribute bei der Wiedergeburt eines Digimons zu steigern oder euren Protagonisten dank eines höheren Tragevermögens weitere Items transportieren zu lassen. Genauso gibt es auch Fähigkeiten, die zum Beispiel die Trainingserfolge der Digimon erhöhen oder euch neue Befehle für den Kampf ermöglichen. Das Freischalten der abwechslungsreichen Fähigkeiten lässt einem viele Freiheiten und ist dank einer hohen Transparenz und Simplizität leicht zu überblicken und trotzdem motivierend.

Der Wiederbau Floatiens

Zu einer großen Nebenbeschäftigung wächst in Digimon World: Next Order übrigens ein kleines Städtebau-Feature heran. Wie schon erwähnt ist der Wiederaufbau Floatiens grundlegender Bestandteil der Handlung des japanischen Rollenspiels. Während das Dorf zunächst quasi nur aus zwei kleinen Hütten besteht, steigt die Bevölkerung mit jedem rekrutierten Digimon, was auch eine Reihe neuer Möglichkeiten mit sich bringt. Nach einiger Zeit wird Floatien grundlegend umstrukturiert und bietet fortan wesentlich mehr Platz, den es mit Digimon zu füllen gilt. Dort gibt es dann in einem Landwirtschaftsviertel die Möglichkeit Nahrung anzubauen während ihr euch im Geschäftsviertel mit jeglichen Ausrüstungsgegenständen ausstatten könnt. Numemon versorgt euch täglich mit mobilen Toiletten, Birdramon entschließt sich euch gegen ein geringes Entgelt eine Schnellreisefunktion anzubieten und Togemon steht nachmittags im Trainingsraum und überreicht euch Nahrung, die eure Trainingserfolge erhöht. Über in der Spielwelt gesammelte Materialien ist es möglich, die verschiedenen Teilbereiche Floatiens aufzuwerten um dadurch weitere Komfortfunktionen und Features freizuschalten.

Um an neue Digimon zu kommen, müsst ihr der Storyline folgen und euch auch nebenbei einigen Nebenmissionen widmen. Generell sind die Aufgabenstellungen, die euch die Monster in Digimon World: Next Order stellen, nicht sonderlich spektakulär. Mal müsst ihr gewisse Items besorgen, mal sucht ein Digimon einen verlorenen Freund und in wieder anderen Fällen sind die Digimon lediglich auf einen Kampf aus. In den Hauptmissionen gestaltet sich das Ganze auch schon mal etwas spannender und komplexer, hervorzuheben sind dabei auch die ansehnlichen Zwischensequenzen. Die kurzweiligen Side-Quests ergänzen sich in meinen Augen sehr gut mit den primären Zielen, dazu ist es sehr motivierend, Floatien beim Wachsen zuzusehen und es um immer neue Kleinigkeiten zu erweitern.

Farbenfroh mit Abstrichen

Auch außerhalb von Floatien haben die Entwickler die digitale Welt sehr abwechslungsreich gestaltet. Die Knallbunt-Optik wirkt zwar einerseits technisch etwas angestaubt, sorgt aber trotzdem für grundverschiedene Atmosphären in den unterschiedlichen Gebieten. Wälder, Wüsten und hitzige Vulkane grenzen direkt aneinander an und werden durch ihre ganz eigene kräftige Farbgebung in Szene gesetzt. Was die Gestaltungen und den Aufbau der Umgebungen angeht, hätten die Entwickler aber noch einiges mehr rausholen können – hier pendelt sich Digimon World: Next Order irgendwo im JRPG-Mittelfeld ein. Außerdem besitzt das Spiel zwar einen Tag-Nacht-Zyklus, ich persönlich hätte mir aber dynamischere Übergänge zwischen den Tageszeiten gewünscht. Im Gegensatz zur Vita-Version, welche der PS4-Variante zu Grunde liegt, hat sich grafisch aber einiges getan und auch das teilweise sehr verrückt-kreative Monsterdesign weiß zu gefallen – umso mehr, wenn dem jeweiligen Digimon auch in Dialogen eine Persönlichkeit verpasst wird.

Wertung im Einzelnen
Grafik & Präsentation
7
Kampfsystem
8
Story & Spielwelt
6
Soundtrack
8
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