Root Letter im Test

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Releasetermin: 04.11.2016

Medientyp: Blu-ray Disc (PS4), Karte (Vita), Download
Genre: Visual Novel
Entwickler: Kadokawa Games
Herausgeber: PQube

 

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In letzter Zeit kommen immer mehr Visual Novels auch in Europa für Sonys Platformen heraus. Erst im September erschien Psycho-Pass: Mandatory Happiness. In wenigen Wochen wird das heiß erwartete Steins;Gate 0 veröffentlicht. Doch wartet jetzt bereits ein weiteres Spiel auf PS4 und Vita auf Fans des Genres: Root Letter. Dabei handelt es sich um ein Mystery-Adventure, das mit einer wirklich interessanten Prämisse startet. Worum es geht? Das erfahrt ihr in unserem Test!

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Die geheimnisvolle Brieffreundin

Root Letter, stilisiert auch √Letter genannt, erzählt von einem 32 Jahre alten Mann, der in Tokio lebt. Der Protagonist Takayuki schwelgt in Erinnerungen über das hübsche Schulmädchen “Aya Fumino”, die er vor 15 Jahren im Zuge einer Brieffreundschaft kennenlernte. Nach zehn Briefen aber brach der Kontakt ab. Während Takayuki, auch mit seinem Spitznamen “Max” bekannt, durch die alten Briefe geht, fällt ihm etwas ungewöhnliches auf.

Plötzlich hält er einen elften Brief in der Hand, an den er sich wahrlich nicht erinnern kann. Dass der Umschlag nicht mit einer Briefmarke versehen ist, trägt zum Mysterium bei. Doch die größte Überraschung bringt erst der Inhalt des Schreibens mit sich. In knappen Worten erklärt Aya, dass sie einen Mord begangen hat! Einerseits vor Sorge, andererseits vor Neugierde, was es mit dem Verschwinden des einstigen Schulmädchens auf sich hat, macht sich Max auf zur Präfektur Shimane, um den Geheimnissen auf die Spur zu gehen. Root Letter kommt gleich zur Sache und hat mich nach fünf Minuten bereits in den Bann gezogen. Die Ausgangslage ist interessant und ebnet den Weg für eine spannende Krimi-Erzählung.

Da die Geschichte der zentrale Aspekt jeder Visual Novel ist, werde ich nicht allzu sehr auf die Geschehnisse eingehen. Root Letter ist in mehrere Kapitel unterteilt, in denen Max in Matsue in Shimane verschiedene Aspekte rund um Aya erforscht. Wir schauen uns Schritt für Schritt jeden Brief noch einmal genau an und gehen Spuren nach, die wir aus dem Erzählten ziehen. Allen voran steht die Befragung der sieben Freunde bevor, von denen Aya in ihren Briefen ausführlich erzählt. In Detektiv-Manier finden wir mehr über die gut dargestellten Figuren und über die Geschehnisse der Vergangenheit heraus. Mich hat die Handlung sehr gut unterhalten.

Das Pacing ist gelungen und so kommen Spieler in regelmäßigen Abständen zu interessanten Enthüllungen, die zum Weiterspielen motivieren. Ich muss zugeben, dass mich manche Offenbarungen letztendlich enttäuscht haben. Manche Geheimnisse werden schlicht über das gesamte Spiel aufgebauscht, ohne letztendlich eine befriedigende Enthüllung zu liefern. Da Root Letter aber auch viele überraschende Wendungen bietet, konnte ich der Handlung verzeihen, dass nicht alle Enthüllungen bei mir zündeten.

Linear, aber eine Illusion von Interaktivität

Während so manche Visual Novel über das Lesen hinaus nichts bietet, hat Root Letter vergleichsweise viele Interaktionen in petto. Im Minutentakt wechseln wir den Schauplatz. Mal untersuchen wir einen Ort per Cursor-Lupe auf Hinweise. Mal unterhalten wir uns mit Figuren, befragen sie. Gelegentlich werden unsere bisherigen Funde zum Knackpunkt einer Konversation und so haben wir in diversen Momenten die Gelegenheit, unsere gefundenen Objekte unseren Gesprächspartnern zu zeigen.

Unsere Interaktionen fallen äußerst simpel aus, doch da wir durchgehend involviert sind, fühlte sich Root Letter für mich interaktiver an als so manch anderer Genre-Ableger. Bei unseren Tätigkeiten gehen wir allerdings sehr linear vor, denn gibt der Titel stets die nächste Station vor. Sind wir an einem Ort mit Befragungen und Absuchen fertig, weist das Spiel auf die folgenden Pläne hin. Haben wir jedoch keine Ahnung, wo unser nächstes Ziel liegt, steht ein Reiseführer zur Verfügung, in dem wir Informationen rund um Matsue finden. Ist uns überhaupt nicht bewusst, was wir machen sollen, finden wir im Menü den Punkt “Think” vor. Max denkt folglich darüber nach, was als nächstes ansteht.

Da wir erst den Ort wechseln können, wenn wir in der aktuellen Situation alle relevanten Infos oder Objekte erlangt haben, ist Root Letter auch für Adventure-Neulinge zu empfehlen. Point & Click-Profis werden sich wohl hingegen unterfordert fühlen, doch tragen die simplen Tätigkeiten mit dem geradlinigen Verlauf dazu bei, dass sich das Spiel entspannend und ruhig anfühlt. Die Krimi-Aspekte der Geschichte sind nicht durchgehend präsent, wodurch Root Letter über weite Strecken zum lockeren Trip wird. Es hat wirklich etwas beruhigendes, Max über ausgefallene Spezialitäten der japanischen Kochkunst reden zu hören!

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Irreführende Investigationen

Hin und wieder aber zieht die Stimmung an, wenn wir neue Details über Aya erfahren. Fallen unsere Befragungen grundsätzlich entspannt aus, sind über den Spielverlauf intensive “Investigation”-Szenen verteilt, bei denen wir relevante Figuren so richtig ins Verhör nehmen. Wir konfrontieren wichtige Personen im Wirrwarr um Aya mit diversen Fakten und Funden und müssen Widersprüche aufdecken. Bei der Präsentation unserer Gesprächsthemen müssen wir allerdings Vorsicht walten lassen: Fünf falsch gewählte Entscheidungen und die Befragung ist vorbei! Das Spiel nimmt es mit der Bestrafung allerdings keineswegs ernst und startet in solch einem Fall die Investigations-Szene von vorne.

Das Konzept ist grundsätzlich nett, doch hat mich gestört, wie unklar die Themen dargelegt sind. Selbst mit der “Think”-Hilfe war mir oftmals nicht bewusst, welches Thema ich als nächstes aufbringen muss. Da sich diese Sequenzen über mehrere Minuten erstrecken und die Fehlversuche schnell aufgebraucht sind, habe ich viele dieser Abfolgen unnötig oft wiederholen müssen. Es wurde für mich zumeist zum Geduldspiel und ich probierte alle Möglichkeiten durch, bis ich zufällig die richtige Option wählte. Die Beschreibungen der Themenauswahl ließen mich nur in wenigen Fällen auf den ersten Blick erkennen, wie die folgende Aussage oder Frage ausfallen würde. Auch wenn diese Szenen also gut gemeint und eine nette Abwechslung zum sonst eher ruhigen Ton des Spiels bieten, ist die Umsetzung unnötig lästig ausgefallen.

Die zwei Seiten des Max

In diesen investigativen Momenten kommt eine weitere Schwäche des Spiels zum Zuge. Ist der Protagonist Max weitestgehend sympathisch und hat immer einen lustigen Spruch auf den Lippen, wird er in den Investigations-Sequenzen zum gnadenlosen Arschloch. Die heftigen Wortwechsel gehen an die Substanz – das ist mir bewusst. Doch konfrontiert Max seine Gegenüber in diesen Sequenzen oft schonungslos mit Tatsachen, die den Befragten offensichtlich sehr peinlich oder unangenehm sind. Der Protagonist ist unnötig gemein und verlor auf diese Weise Sympathiepunkte bei mir. Max mimt in dieser Hinsicht einen wirklich guten Polizisten, der im Verhör keine Gnade kennt. Da die Hauptfigur außerhalb dieser Sequenzen aber fast immer deutlich mehr Feingefühl beweist, fällt der Kontrast so groß aus. Die zwei Seiten des Max – eine wahrlich pingelige Kritik, doch hat mich dieser Punkt schlicht des Öfteren aus der Stimmung herausgerissen.

Ebenfalls gestört hat mich hin und wieder, dass der Schreibstil recht hölzern präsentiert wird. Spieler erleben das Geschehen nicht nur aus Sicht des Protagonisten. Oftmals fügt Max als Erzähler Anmerkungen hinzu, die zum Teil bereits Gesagtes wiederholen. Während mir das an-die-Hand-genommen-Werden des Spielablaufs gefallen hat, störte es mich gelegentlich, dass uns alles doppelt und dreifach erklärt wird. Abseits dieser Momente aber gibt das Erzählte eine gute Figur ab – auch wenn der Schreibstil recht einfach gestrickt ist.

Auf dem Weg zum True Ending

Mein Durchgang war nach 12 Stunden beendet – doch habe ich nach dieser Zeit noch nicht jeden Aspekt der Geschichte verstanden. Denn bietet Root Letter insgesamt fünf Enden an, die sich gemeinsam zu einem großen Gesamtbild zusammensetzen. Wir müssen das Spiel aber nicht fünf Mal von Anfang bis Ende spielen. Haben wir die Geschichte erstmals beendet, wird eine Möglichkeit zum Überspringen von Kapiteln geboten. Wir treffen in der Rolle von Max einige Entscheidungen, die den Storyausgang beeinflussen. So erinnern wir uns an den Briefverkehr mit Aya zurück und legen fest, wie wir auf ihre Briefe geantwortet haben. Wer alle Enden inklusive dem enthüllenden “True Ending” gesehen haben will, muss pro Ende noch einmal grob 2-3 Stunden auf den ersten Durchgang draufrechnen. Je nach Lesegeschwindigkeit ergibt sich hiermit eine Gesamtspielzeit von rund 20-30 Stunden. Das ist für eine Visual Novel nicht allzu viel, doch hat mich die Spieldauer voll zufrieden gestellt.

Besondere Optik und passender Soundtrack

Root Letter kommt mit einem besonderen Grafikstil daher. Die Figuren sind interessant gestaltet und alle Elemente scheinen in einem weichen Zeichnungsfilter präsentiert zu sein. Sicherlich wird dieser Stil nicht jedem gefallen, doch hat mich die Optik überzeugt. Die Charaktere sind detailliert ausgearbeitet. Und auch die Umgebungen lassen sich sehen. Läuft ein Großteil des Spiels über Standbilder ab, sind manche Ereignisse mit wahrlich hübschen CGI-Filmchen inszeniert. Insgesamt hat mir der grafische Stil sehr gefallen, denn sticht Root Letter mit seiner charmanten Präsentation heraus aus dem Anime-Klischee. Auch der Soundtrack ist gelungen und unterstreicht mit seinen nostalgischen, schönen Klängen zumeist die entspannte Ader des Spiels. Alle Figuren außer Max sind Japanisch vertont, dazu gibt es englische Texte. Deutsche Sprache ist leider nicht unterstützt, doch handelt es sich um leicht verständliches Englisch aufgrund der einfach gestrickten Erzählart.

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Root Letter – Fazit

Mit seiner interessanten Prämisse hat mich Root Letter gleich in den Bann gezogen. Ein gutes Pacing sorgt dafür, dass die Krimi-Erzählung nicht an Spannung verliert und unberechenbar bleibt. Auch wenn mich letzten Endes nicht alle Enthüllungen zufriedenstellen konnten und Protagonist Max gelegentlich meine Sympathie verlor, blicke ich auf die Geschichte um die verschollene Aya dank überraschender Wendungen positiv zurück.

Die Detektiv-Tätigkeiten sind wahnsinnig simpel und linear vorgegeben, doch fühlte ich mich jederzeit einbezogen in das Mysterium von Matsue. Wären die Investigations-Sequenzen verständlicher aufgebaut, hätte Root Letter zum absoluten Geheimtipp des Krimi-Genres werden können.

Dennoch hat mich das Spiel insgesamt gut genug unterhalten, um eine klare Empfehlung auszusprechen. Allen voran hat mir gefallen, wie entspannend und beruhigend das Abenteuer trotz verzwickter Ausgangslage ausfällt – perfekt, um nach einem harten Arbeitstag herunterzukommen.

Mehrere Enden, eine Spielzeit von rund 25 Stunden sowie ein toller Grafikstil und ein stimmiger Soundtrack tragen dazu bei, dass Root Letter zu den deutlich besseren Visual Novels gehört, die ich bisher erlebt habe.

 

Positiv-Icon Fesselnde Story mit spannenden Mysterien…

Positiv-Icon …dennoch mit wohltuend entspannender Atmosphäre, gutes Pacing zwischen Spannung und Gelassenheit

Positiv-Icon Fünf Enden, Möglichkeit zum Überspringen von Kapiteln nach Storyabschluss

Positiv-Icon Seichte Detektiv-Gameplay-Mechaniken gaukeln erfolgreich Interaktivität vor

Positiv-Icon Sehr schöner Artwork-Stil und gelungener Soundtrack

Negativ-Icon Investigations-Phasen dank konfuser Dialogoptionen zu unberechenbar, verkommt zu Trial & Error

Negativ-Icon Protagonist Max ist gelegentlich extrem unsympathisch

 

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Hey Leute, ich bin der Dominik, Redakteur, und stürze mich für euch gerne in die aktuellsten News und Reviews der PS4 :)