Releasetermin: 15.05.2018
Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Rollenspiel
Entwickler: Vanillaware
Herausgeber: Atlus
Mit dem Fantasy-Rollenspiel Dragon’s Crown gelang es Vanillaware vor fünf Jahren, einen echten Geheimtipp für Playstation 3 und PS Vita zu veröffentlichen. Der 2D-Sidescroller konnte nicht nur mit unterhaltsamem Gameplay und Mittelalter-Setting überzeugen, sondern fiel auch durch seinen einzigartigen Grafikstil auf. Wer das Spiel seinerzeit vollkommen verpasst hat, bekommt jetzt eine weitere Chance: unter dem Titel Dragon’s Crown Pro erschien das Spiel der Odin-Sphere-Macher kürzlich als Neuauflage auf Playstation 4 und Playstation 4 Pro. Was die 2018er-Version neu macht und ob sich der Ausflug auch heute noch lohnt, kläre ich im folgenden Test.
Der Teufel steckt im Detail
Auf den ersten Blick könnten Kenner der Original-Version denken, dass sich am grafischen Auftritt des Rollenspiels nur wenig getan hat. Und tatsächlich: ob Charakterdesigns, Umgebungsgestaltung oder Effekte – der visuelle Ersteindruck ist sehr nah an Dragon’s Crown aus dem Jahre 2013. Bei genauem Hinsehen und im direkten Vergleich fällt aber doch auf, dass Vanillaware die Präsentation an der ein oder anderen Stelle auf die PS4 angepasst hat. Generell kommt das Gesamtbild etwas klarer und farbstärker zur Geltung – besonders im Glanz der 4K-Auflösung der Playstation 4 Pro. Aber Dragon’s Crown Pro braucht auch nicht großartig an der Grafik-Power zu schrauben, da es besonders der malerische 2D-Grafikstil ist, der dem Rollenspiel seinen ganz eigenen Charakter verpasst. Okay, die übertriebene Darstellung weiblicher Reize müsste in meinen Augen nicht sein. Davon abgesehen spielt die Reise durch handgezeichnete Gemälde dank hochdetaillierter Hintergründe und Verzierungen fast schon in einer Liga mit Titeln wie Rayman Legends oder Child of Light. Für potenzielle Wiederholungs-Käufer schaffen die Entwickler aber zugegeben nur sehr geringe Anreize, erneut knapp 50 Euro auf die Ladentheke zu legen.
Großes Lob gebührt auch dem Soundtrack des Rollenspiels. Zwar bedient sich die musikalische Untermalung an vielen bekannten Elementen gewöhnlicher Mittelalter- und Fantasy-Melodien, dank der handwerklich vorbildlichen Umsetzung und durch die faszinierende Detailverliebtheit transportieren die Stücke aber ein sehr authentisches Spielgefühl. Umso schöner daher, dass die Musik für Dragon’s Crown Pro noch einmal mit einem Live-Orchester aufgenommen wurde. Außerdem hat Dragon’s Crown Pro natürlich sämtliche nachträglichen Patches und einen Erzählstimmen-DLC mit an Bord. Ein weiteres spannendes Feature ist der Speicherdaten-Transfer: wer möchte, kann seine Spielstände beliebig zwischen der PS3-, Vita- und PS4-Version umherschieben und so etwa ein angefangenes PS4-Spiel unterwegs fortführen. Außerdem wurde natürlich die Steuerung für den PS4-Auftritt etwas angepasst – mit dem Touchpad kann man dadurch zum Beispiel Schätze in der Umgebung suchen oder ein Menü öffnen.
Fantasy nach dem Lehrbuch
Abgesehen von diesen Ergänzungen bleibt Dragon’s Crown aber das gleiche Spiel wie schon vor fünf Jahren. Nach der Auswahl einer der sechs Charakter-Klassen wird der Spieler in ein erzählerisch sehr gewöhnliches Abenteuer geworfen. Das Hydeland wird bedroht und braucht mutige Helden, die das bevorstehende Unheil durch Monster und Drachen abwenden können. Vanillaware orientiert sich dabei an vielen Fantasy-Klischees und sorgt nur für wenige Überraschungen im Plot. Die recht klassische Story wird aber durch den hervorragenden englischen (oder optional auch japanischen) Erzähler deutlich aufgewertet. Einige Wiederholung schmälern seinen Vortrag zwar geringfügig, durch seine warme Stimme und stilsichere, bildstarke Beschreibungen der Handlung werden aber selbst Standbilder zu aussagekräftigen Story-Elementen.
Auf der Gameplay-Seite kann mich Dragon’s Crown Pro sogar noch wesentlich mehr begeistern. Geleitet von Aufträgen aus dem königlichen Schloss oder von der Abenteurergilde starten eure Reisen in die verschiedenen Dungeons des Spiels. Je nach gewählter Klasse zeigen eure Angriffsmöglichkeiten gegen lauernde Monster gravierende Unterschiede: Amazonen und Ritter sind besonders im Nahkampf sehr effektiv während ihr mit der Elfin auch aus der Ferne attackiert. Die Zauberin greift zwar auch aus der Distanz an, schafft aber zum Beispiel durch ihre Unterstützungs-Fähigkeiten einen willkommenen Gegenpol. Da sich auch die Fähigkeiten-Bäume der Charaktere je nach Klasse unterscheiden, lädt Dragon’s Crown Pro durchaus zum wiederholten Spieldurchgang ein. Schade daher, dass sich durch die Auswahl der Figur rein gar nichts an der Geschichte verändert.
Zusammen stark
Ihr seid jedoch nicht zwangsläufig alleine unterwegs: findet ihr die Knochen gefallener Krieger, könnt ihr diese wiederbeleben lassen – aus Dank versprechen sie euch anschließend ewige Treue. Dabei zeigt sich die KI auch auf niedrigen Leveln überraschend kampferprobt – teilweise nehmen sie euch in meinen Augen sogar zu viel kämpferische Arbeit ab. Noch unterhaltsamer ist natürlich die Koop-Variante, bei der ihr euch lokal oder online mit bis zu drei weiteren Spielern zusammenschließen könnt. Irgendwo zwischen hochfrequenter Hack’n’Slay-Knopfdrückerei und taktischen Kombo-Angriffen machen die Kämpfe aber so oder so ordentlich Laune – selbst wenn sie manchmal etwas zu chaotisch sind. Durch das Freischalten neuer Fähigkeiten wird der Kampf stets um neue Möglichkeiten ergänzt, zudem könnt ihr auch brennende Fackeln, Dolche oder andere herumliegende Waffen aufheben und kurzzeitig nutzen. Am Ende eines jeden Dungeons wartet schließlich noch ein mächtiger Bossgegner, der meist nicht nur kämpferisch unterhält, sondern auch durch ein ausgefallenes Design begeistert.
Langfristige Motivation schafft Vanillaware durch das süchtig machende Loot-System. Habt ihr ein Level abgeschlossen, winken Erfahrungspunkte und Ingame-Währung. Außerdem findet ihr bei jedem Ausflug zahlreiche Ausrüstungsgegenstände. Diese könnt ihr entweder zur eigenen Nutzung schätzen lassen oder verkaufen. Das ständige Waffen- und Rüstungsmanagement im Diablo-Stil wird nicht zur nervigen Nebenbeschäftigung, sondern zum unterhaltsamen Abwägen der Möglichkeiten vor jeder neuen Reise. Abwechslung bieten auch die unterschiedlichen Ausflugs- und Missionsziele. Ganz ohne „Sammle X“ oder „Töte Y“ kommt auch Dragon’s Crown nicht aus, wegen zahlreicher versteckter Räume oder Geheimnisse lohnt sich aber auch ein wiederholter Ausflug in einen Dungeon. Das liegt auch im fantastischen Monsterdesign begründet: während sich lebendige Skelette noch gut vom Boden aus attackieren lasen, müsst ihr für die fliegenden Fledermäuse auf kämpferische Sprungmanöver zurückgreifen. Um euch gegen die furchteinflößenden Geister zur Wehr setzen zu können, müsst ihr hingegen zwingend auf feurige Angriffe setzen. Euer Abenteuer wird gelegentlich sogar noch zusätzlich erschwert, wenn die Katakomben oder Ruinen mit Fallen an allen Ecken aufwarten.