Le Tour de France 2015 im Test

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Releasetermin: 19.06.2015

Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Sport / Simulation
Entwickler: Cyanite Studio
Herausgeber: Focus Home Entertainment

 

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Le Tour de France 2015 verkörpert, was den Radsport so besonders macht: Jedes Rennen ist ein langer Weg, den man mit viel Ausdauer und Entschlossenheit entgegen treten muss. In diesem Titel kann man nicht schnell einmal eine Spritztour machen, wie man es aus anderen Rennspielen gewöhnt ist. Generell fällt es mir schwer, das Spiel dem Racing-Genre zuzuordnen. Es ist vielmehr ein Strategiespiel, das sich mit den Radfahrern im sportlichen Gewand zeigt und nur sekundär Rennspiel-typische Elemente präsentiert. Während das Fahren durch das Gedrückthalten eines Knopfes recht unspektakulär ausfällt, machen diverse strategische Aspekte das eigentliche Geschehen aus. Die Verwaltung der eigenen Energie ist von enormer Wichtigkeit. Ebenso können eine gute Positionierung im richtigen Moment und die Wahl über passende Verpflegungs-Ausstattung über Sieg und Niederlage entscheiden. Dass man stets ein ganzes Team aus Fahrern betreut, anstatt nur strikt auf einen Sportler zu achten, bringt weiteren taktischen Tiefgang ins virtuelle Fahrradfahren. Während man grundsätzlich nur einen Fahrer kontrolliert, spielt der Wechsel der Fahrer eine große Rolle. Es macht nicht nur beim offensichtlichsten Grund – wenn man keine Ausdauer mehr zur Verfügung hat – Sinn zu wechseln. Denn jeder Fahrer kommt mit seinen Stärken und Schwächen daher, die es auszunutzen gilt. Durch ein schlaues Vorgehen beim Austauschen der Fahrer kann so das Maximum an Leistung herausgeholt werden. Manche Fahrer haben ihre Stärken in den Sprints, andere wiederum zeigen sich beim Erklimmen eines steilen Bergabschnitts besonders stark. Einigen Spielern wird die Verwaltung eines ganzen Teams eventuell zu viel sein und leider gibt es keine Möglichkeit, sich voll und ganz auf lediglich einen Fahrer zu konzentrieren. Die Team-Fahrer agieren zwar auch selbstständig, stellen sich jedoch nicht besonders gut an. Nur ganz selten erfüllen die KI-Fahrer ihr Ziel oder schneiden befriedigend ab, wenn man sie ihre eigenen Entscheidungen treffen lässt. Mir hat das Team-Management während dem Rennen gefallen, doch dass man regelrecht dazu gezwungen wird, alle Kameraden zu leiten, ist nicht die optimale Lösung.

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Das ständige Einschätzen der Situation macht einen großen Reiz des Spiels aus. Nicht nur die grundsätzliche Überlegung, welche Wechsel auf der Strecke Sinn machen, sorgt für Spannung. Es sind insbesondere die individuellen Situationen, die immer wieder für Nervenkitzel sorgen. Trete ich jetzt bei der Bergfahrt kurzfristig besonders stark in die Pedalen, um die Führung einzunehmen? Schaffe ich es dann aber noch bis an die Spitze, oder geht mir kurz vorher die Kraft aus und setze ich somit eine zufriedenstellende Position für das restliche Rennen aufs Spiel? Rechts von mir zieht ein Fahrer an mir vorbei – schafft er es wirklich noch nach oben? Soll ich mitziehen oder darauf spekulieren, dass ihm in Kürze die Puste ausgeht? Diese Gedanken strömten mir beim Spielen ständig durch den Kopf. Ein kleiner Fehler und schon ist der Sieg nicht mehr in greifbarer Nähe. Schnell zeigt sich, dass Le Tour de France 2015 eine Menge Hingabe erfordert. Es richtet sich an Spieler, die Wert schätzen, wie viel Aufwand dahintersteckt, eine Etappe der Tour de France gut abzuschließen oder gar zu gewinnen. Auch wenn die Strecken im Vergleich zu ihren realen Vorbildern teilweise verkürzt wurden, fühlt sich jede Strecke gigantisch an. Wir sprechen hier nicht von einem Fußballspiel, dessen 90 Minuten im virtuellen Spiel auf 10 Minuten schrumpfen. Auch wenn wir in einer Etappe mit 120 Kilometer langem Vorbild sicherlich keine virtuellen 120 Kilometer zurücklegen, fühlt es sich dennoch so an. Der Abschnitt eines vollständigen Rennens kann gut und gerne eine Stunde dauern, was es umso frustrierender gestaltet, dass die kleinsten Fehler hart bestraft werden. Wer also nach einer kurzweiligen Erfahrung sucht, die in kleinen Dosen zu genießen ist, ist hier Fehl am Platz.

Le Tour de France 2015 ist für den Kreis an Spielern, an den es sich richtet, ein grundsolides Spiel. Dennoch gibt es einige Aspekte, die mir nicht gefallen haben, angefangen mit langen Ladezeiten. Zudem hat es mich besonders aus der Immersion gerissen, dass es mehr oder weniger unmöglich ist, Zusammenstöße zu verursachen. Theoretisch kann es zum Sturz kommen, doch das geschieht nur in den aller wenigsten Fällen. Jeder Fahrer hat eine Art kleine Schutz-Blase um sich, sodass die Räder nicht ineinander greifen können. Das sieht nicht nur komisch aus, sondern führt gelegentlich sogar dazu, dass man einen anderen Fahrer nicht überholen kann, wenn wir ihm zu nah kommen. Ebenso stört, dass vor Kurven zwar die Warnung erscheint, dass Bremsen angebracht sei – erfordert ist es jedoch keineswegs. Geht man mit vollem Tempo in die Kurve, prallt man zwar an der Bande leicht ab, kann aber schnell weiterfahren. Die geringfügigen Geschwindigkeitseinbußen durch die Bande sind jedenfalls kleiner als bei einer ordentlichen Bremsung vor der Kurve. Auch die Auswahl an Modi hätte besser ausfallen können. Die Tour de France, in vollständiger oder verkürzter Ausführung sowie lobenswert als Koop-Variante, stellt das Highlight dar. Neben einigen Abhang-Herausforderungen auf Zeit ist auch noch der „Profiteam“-Modus enthalten, mit dem ich jedoch kaum Spaß hatte. Der Spieler startet mit einem leeren Bankkonto und einer handvoll wirklich untalentierter Fahrer. Ziel ist es, mit dem Team die Tour de France zu erreichen, doch das ist ein extrem weiter Weg. Die Anfangsfahrer haben wirklich wenig auf dem Kasten und zunächst gibt es pro Rennen kaum Geld, sodass es eine Weile dauert, bis bessere Fahrer engagiert werden können. Diese sind jedoch wirklich nur geringfügig fähiger als ihre Vorgänger – es ist also ein zäher, frustrierender Weg bis zur Tour. Auch wenn viele Strecken und Fahrer enthalten sind, fällt der Umfang an Modi etwas dürftig aus. Anrechnen will ich dem Spiel jedoch, dass mit dem „Warmup“ eine Art Tutorial vorhanden ist, in dem die Grundzüge des Gameplays erklärt werden.

Der Titel wird technisch kaum Maßstäbe setzen, sieht nicht gerade hübsch aus. Die Umgebungen wirken oftmals ziemlich trist, doch sind die Darstellungen immerhin detailgetreu genug, um einige Strecken zu erkennen. Der Titel wird in einer Art Weichzeichnungsfilter präsentiert, was die Fahrermodelle unscharf wirken lässt. Ständig gibt es Pop-Ins zu bemerken, Objekte ploppen in der Entfernung bei Annäherung plötzlich auf. Die Animationen der umherstehenden Fans sehen grausam aus – schon lange habe ich nicht mehr eine solch hässliche Darstellung von hüpfenden, virtuellen Menschen gesehen. Insgesamt macht die Grafik nicht wirklich viel her, doch starre Screenshots tun dem Spiel definitiv noch weniger einen Gefallen. Denn auch wenn das Spiel wahrlich kein Hingucker ist, gibt es in Bewegung eine bessere Figur ab, als die Bilder es vermuten lassen. Immerhin konnte mich der Sprecher überzeugen, der über Funk Infos zum Rennen, zur Strecke und zum Team liefert. Die Soundkulisse geht in Ordnung, die Mischung aus dem Pfeifen des Windes und tosendem Fanbeifall sorgt für ein authentisches Erlebnis. Positiv anzumerken: Viele der Fans rufen den Fahrern etwas auf Französisch zu, was die Atmosphäre weiterhin unterstützt. Negativ aufgefallen: Sind einmal deutsche Kommentare zu hören, läuft es fast immer die selben Sprüche hinaus: „Komm schon Peter“, „Auf geht’s Martin“ – es nervt, wenn diese Sätze pro Etappe gefühlt dutzende Male hereingerufen werden.

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Fazit

Le Tour de France 2015 ist ein gutes Strategiespiel im Gewand des Radsports. Die ständige Verwaltung von Ausdauer und Verpflegung sowie der überlegte Wechsel von Team-Fahrern hat seinen Reiz. Wer mit Hingabe und Durchhaltevermögen in seinen Spieldurchgängen bei der Sache ist und ganz nebenbei dem Radsport nicht abgeneigt ist, kann eine Menge Spaß mit dem Titel haben. Wer allerdings auf schnelle Spritztouren aus ist, sollte lieber gleich vom Rad absteigen. Wenige Modi, Gameplay-Schwächen bei Kollisionen und im Kurvenverhalten und nicht zuletzt eine angestaubte Grafik werben nicht gerade für den Titel, doch Fans des Sports und Freunde dieser Art von Spiel sollten definitiv einen Blick wagen.

 

Positiv-Icon Solides Gameplay-Gerüst

Positiv-Icon Ständige Taktik-Überlegungen machen den großen Reiz aus

Positiv-Icon Tour de France sogar als lokale Koop-Variante enthalten

Negativ-Icon Hinsichtlich Stürze und Kurvenverhalten mehr als ausbaufähig

Negativ-Icon Technisch durchwachsen: Grafik altbacken, viele Pop-Ins, Aliasing fällt auf, lange Ladezeiten

Negativ-Icon Modi hätten spaßiger / umfangreicher sein können

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Hey Leute, ich bin der Dominik, Redakteur, und stürze mich für euch gerne in die aktuellsten News und Reviews der PS4 :)