Releasetermin: 11.11.2016

 

Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Stealth-Actionspiel
Entwickler: Arkane Studios
Herausgeber: Bethesda

 

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In der Fülle der veröffentlichten Spiele in den letzten Monaten ist Bethesdas Dishonored 2: Das Vermächtnis der Maske beinahe schon untergegangen. Die Verkaufszahlen der ersten Woche sind in Großbritannien im Vergleich zum vielfach ausgezeichneten Vorgänger um etwa 38 Prozent gesunken und auch im Preis wurde Dishonored 2 schon frühzeitig erheblich reduziert. Auf dem PC wird zudem harsche Kritik an der Technik des Stealth-Spiels geäußert – auf Steam pendeln sich die Userbewertungen in einem sehr mittelmäßigen Bereich ein. Parallel zeigt sich die Fachpresse aber zu großen Teilen begeistert von dem neusten Streich aus dem Hause der Arkane Studios. Wie es meiner Meinung nach um das heiß diskutierte Dishonored 2 steht, erfahrt ihr im folgenden Test.

Das Kaiserreich in Gefahr

Dishonored 2 ist zweifellos eines der besten Beispiele dafür, dass gelungenes Artdesign viel wichtiger sein kann als fotorealistische Grafik. Wie schon sein Vorgänger besticht auch der zweite Teil des Schleichabenteuers durch einen leichten Comic-Look, der mich etwas an die Bioshock-Reihe erinnert hat. Man setzt dabei aber nicht durchgehend auf eine besondere Farbenpracht, viel mehr ist Dishonored 2 mitunter sehr düster und präsentiert sich gerne in sehr gelungenen Zwischensequenzen, die wie sehr dynamische Konzeptzeichnungen aussehen. Das fiktive Kaiserreich des 19. Jahrhunderts, in dem das Spiel der Arkane Studios angesiedelt ist, wird dadurch nicht nur sehr hübsch, sondern vor allem stringent aufgebaut. Besonders die Architektur, die immense Detailarbeit bei der Inneneinrichtung und die Gemälde ließen mich wiederholt staunend zurück. Es ist beeindruckend, wie es nicht einmal die starke inszenatorische Arbeit gegen Ende des Spiels brauchte, um mich über die gesamte Spielzeit hinweg an das Setting und die Geschichte zu fesseln.
 
Der Startschuss zum Spiel fällt in der Stadt Dunwall. Zwar ist Emily Kaldwin die rechtmäßige Thronfolgerin der verstorbenen Kaiserin Jessamine, es entsteht allerdings großes Misstrauen, als vermehrt Feinde und Kritiker von ihr mundtot gemacht werden. Sofort steht die Kaiserin selbst im Verdacht hinter den zahlreichen Morden zu stecken. Auch Corvo Attano, Held aus dem ersten Teil, Vater von Emily und kaiserlicher Schutzherr wird nicht zuletzt wegen seiner Vergangenheit stark verdächtigt. Es folgt ein Staatsstreich aus feindlichen Reihen und schon wenige Minuten nach dem etwas überhasteten Einstieg befindet sich nicht mehr Emily, sondern ihre angebliche Tante Delilah auf dem Thron. Jetzt steht der Spieler vor einer Entscheidung, die es so im ersten Teil noch nicht gab. Man kann frei wählen, ob man das Spiel aus der Sicht von Leibwächter Corvo oder Kaiserin Emily bestreiten möchte. Auch wenn mein Testdurchlauf in der Rolle Corvos stattfand, werde ich später noch die wesentlichen Unterschiede gegenüber Emily schildern. Emily wird nach der Entscheidung in Gefangenschaft genommen und für den Helden heißt es zunächst aus Dunwall zu fliehen und das Weite zu suchen.

Still aus der Entfernung oder gewaltsam aus der Nähe?

Um Licht ins Dunkeln zu bringen gilt es zunächst Informationen über Delilah und ihre Pläne zu sammeln sowie ihren Verbündeten einen Besuch abzustatten. Überrascht war ich persönlich von dem Fantasy-Anteil, den Dishonored 2 beherbergt. Nicht nur Delilah wohnen anscheinend magische Kräfte inne, auch Corvo steht vor der Wahl, die große Aufgabe mit übernatürlichen Mitteln zu bestreiten. Gelegentlich werden auch Ausflüge durch mysteriöse Dimensionsrisse gemacht, der Großteil des Spiels findet aber in der normalen Welt statt. Parallel erzählt das Universum von Dishonored aber noch viel mehr als nur die „simple“ Geschichte des Stürzens von Delilah. Eine Blutfliegenplage sucht die Bewohner des Kaiserreiches heim und auch die Kluft zwischen Arm und Reich wird uns mehr als einmal deutlich. Solche Kommentare und Erzählfetzen zur Gesellschaft und gegenwärtigen Situation der Spielwelt gehen einerseits aus den sehr tollen Dialogen, die Randfiguren beim Durchstreifen der Missionen halten, hervor. Auf der anderen Seite bietet das Spiel aber auch eine enorm große Vielfalt kreativer Dokumente, die überall in der Welt verstreut herumliegen und von den meisten Spielern vermutlich nicht mal in ihrem vollen Umfang gefunden oder gelesen werden. Zeitungsartikel, Romanauszüge, Tagebucheinträge, Gedichte, hinterlassene Nachrichten, vertonte Botschaften durch Audiographen – die Arkane Studios haben hervorragende Arbeit geleistet, der Welt von Dishonored 2 zusätzliche Tiefe zu verleihen und die Immersion ein großes Stück voranzutreiben.
 
Insgesamt neun Kapitel gilt es in Dishonored 2 zu bestreiten. Im Idealfall ungesehen müsst ihr an patrouillierenden Wachen und aufmerksamen Zivilisten vorbeischleichen und bestimmte Punkte im Level erreichen. Geducktes Vorbeihuschen an den niedrigen Mauern Dunwalls oder vorsichtiges Entlanglaufen von Tür zu Tür einer großen Villa sind nur die elementarsten Möglichkeiten, die Dishonored 2 bietet. Viel mehr lässt jede erdenkliche Situation die verschiedensten Bewältigungsmethoden zu, was auch dem sehr verzweigten Aufbau der recht großflächigen Level zuzuschreiben ist. Alternative Wege suchen wird dadurch genauso zu eurem Werkzeug wie die akkustische Ablenkung durch zerbrechende Gläser oder herumstehende Musikinstrumente. Die intelligente KI ist aufmerksam und reagiert auf sämtliche Anomalien in ihrer Umgebung – das erzeugt Anspruch, hält das Spiel aber durchgehend fair. Natürlich könnt ihr auch etwas gewaltsamer vorgehen: Gegner können von hinten lautlos ausgeschaltet oder schlafen gelegt werden. Über eine Armbrust steht es dem Spieler auch offen, Feinde aus sicherer Entfernung heimlich auszuschalten oder sie mit verschiedenen Pfeilarten nur zu betäuben oder sogar in Brand zu setzen. Etwas lauter werden die Kämpfe, wenn ihr die Pistole benutzt – wurdet ihr jedoch einmal entdeckt, kann euch das auch egal sein. Natürlich ist auch der Nahkampf möglich – die Schwertkämpfe punkten durch einen gelungen Ausgleich zwischen Blocken, einfachen Angriffen und aufgeladenen Hieben. Aber Achtung: Dishonored 2 ist definitiv nichts für schwache Gemüter. Wer kein Fan von abgetrennten Gliedmaßen oder herumspritzendem Blut ist, sollte einen Bogen um das Spiel machen. Alle anderen dürfen sich über toll inszenierte Finishing-Moves freuen, die in ihrer Darstellung wunderbar ins düstere Konzept des Spiels passen.

Kräfte, Runen und Knochenartefakte

Doch damit nicht genug: analog zum ersten Teil des Stealth-Spiels gibt es auch wieder spezielle Fähigkeiten, die ihr nutzen, aber auch zu Beginn des Spiels direkt ablehnen könnt. Gegen Teile eurer Mana-Leiste könnt ihr euch hierdurch beispielsweise teleportieren oder die Zeit verlangsamen. Auf der offensiven Seite könnt ihr euch zum Beispiel fresswütige Ratten zur Hilfe rufen. Um neue Fähigkeiten freizuschalten oder bereits erlernte Kräfte in bestimmten Aspekten aufzuwerten kommt ihr nicht um das Sammeln von Runen herum, die an verschiedenen Orten im Spiel versteckt sind. An dieser Stelle belohnt Dishonored 2 sorgfältige Spieler, welche die großen Level auch abseits der eigentlichen Pfade fleißig untersuchen. Oft ist ein Abwägen der theoretischen Gefahr und des Wertes, den beispielsweise eine neue Fähigkeit oder andere auffindbare Schätze haben, grundlegender Bestandteil des Spiels. Neben den Runen könnt ihr auch sogenannte Knochenartefakte finden, die zum Beispiel den Schaden durch Explosionen reduzieren oder schnelleres Schleichen ermöglichen. Ich persönlich wollte nicht auf die zusätzlichen Kräfte verzichten, da sie sehr abwechslungsreich sind und völlig neue Vorgehensweisen ermöglichen. Ohne sie ist das Spiel bedeutend schwieriger, genauso gibt es aber auch zwischen dem rabiaten und stillen Vorgehen an verschiedenen Punkten durchaus Schwierigkeitsunterschiede.
 
Abseits des Pfades findet ihr nicht nur Runen und Knochenartefakte, auch eine Reihe von optionalen Nebenaufgaben können in Dishonored 2 bestritten werden. Auch hier gilt wieder: wer etwas leistet, wird auch belohnt. Beispielsweise durch Waffen-Upgrades und heilende Items am Schwarzmarkt. Auch die Munition, die mitunter rar gesät ist, darf nicht vernachlässigt werden. Löblich ist die Art, wie die gesamten Figuren in die Spielabschnitte integriert worden sind. Gegner kamen mir oft nicht nur wie platzierte Objekte vor, sondern gingen ihrer alltäglichen Arbeit nach oder wirkten durch Dialoge, die oftmals Missionshinweise beinhalten, sinnvoll in die Spielwelt integriert. Keine der Missionen schien auf irgendeine Weise künstlich konstruiert. Lobenswert ist auch, wie Dishonored 2 den Spieler zwar durch (abschaltbare) Zielpunkte und die Speicherung der Hinweise ausreichend an die Hand nimmt, einem aber abgesehen davon aber absolut freie Hand lässt. Kaum jemand wird die Gebiete in Dishonored 2 auf die gleiche Weise beenden, da man in der Reihenfolge und Sorgfalt mit ganz anderen Schwerpunkten vorgeht. Mein Entdeckerdrang wird ständig geweckt und wenn ich an Felsen abseits des direkten Weges entlang klettere und im Anschluss nicht nur eine Sackgasse vorfinde, sondern durch eine tatsächliche Abkürzung belohnt werde, dann folgt ein beeindruckendes Erfolgserlebnis. Wenn ihr euch mal nicht ganz sicher seid, ob eine Schleichidee wirklich aufgeht oder nicht, könnt ihr neben den automatischen Speicherpunkten auch auf ein Schnellspeichersystem zurückgreifen. Dieses wird zwar durch die teilweise recht langen Ladezeiten ausgebremst, steht einem Stealth-Game wie Dishonored aber generell sehr gut.

Hoher Wiederspielwert dank verschiedener Enden

Über den Spielverlauf werdet ihr es neben menschlichen Gegnern auch mit übernatürlichen Kreaturen und mechanischen Soldaten zu tun bekommen. Diese lockern das Spielgeschehen durch ihre Eigenheiten im Kampf positiv auf und werden nicht zu inflationär verwendet. Gerade die mechanischen Soldaten wirkten sehr bedrohlich und brachten direkt eine gewisse Atmosphäre, wenn man sie in der Entfernung ausmachte. Auch wenn ich einige Missionen unterhaltsamer in Erinnerung habe als andere, schaffte es Dishonored 2 mich mit der spannenden Geschichte um Delilah bis zum Schluss an die Konsole zu fesseln. Gegen Ende wird übrigens abgerechnet, wie friedlich ihr im Spiel vorgegangen seid. Spieler, die mordend umher gelaufen sind, werden in den Genuss eines anderen Endes kommen als solche, die nur wenige Leute auf ihrem Weg zum Ende umgebracht haben. Weiteren Wiederspielwert bietet neben den verschiedenen Vorgehensweisen in den Missionen auch die Verwendung von Kräften, die man im ersten Durchgang gar nicht freigeschaltet hat. Am wichtigsten ist aber wohl die Tatsache, dass ihr das ganze Abenteuer auch noch einmal aus der Sicht Emily Kaldwins bestreiten könnt. Hier werdet ihr bis auf eine Ausnahme eine Auswahl aus völlig neuen Kräften vorfinden, die spielerisch zusätzlich noch ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Anstelle des Rattenangriffes von Corvo kann sich Emily zum Beispiel in eine Schattenkreatur verwandeln, die Zeitverlangsamung ist bei der Thronfolgerin für das Erzeugen von Doppelgängern gewichen.

Stärken im Sound, Schwächen in Synchronisation und Technik

Die Musik habe ich im ersten Drittel des Spiels gar nicht so wirklich wahrgenommen, so sehr war ich darauf fixiert, möglichst still durch die Kapitel zu gelangen. Das liegt zwar daran, dass die Musik an einigen Stellen des Spiels sehr unscheinbar ist, in den rechten Momenten aber einsetzt und zum grundlegenden Stimmungsträger heranwächst. Ruhig gespielte Violinen und Gitarren werden durch kleine Akzente im Detail gestärkt und wenn die Arkane Studios wollten, dass ich mich als Spieler unwohl gefühlt habe, haben sie es auch durch den Soundtrack geschafft. Ebenso begeistert hat mich die gesamte Soundkulisse des Spiels. Ob das donnernde Gewitter, die klirrenden Gläser oder das furchteinflößende Brummen der verseuchten Blutfliegen – die Entwickler leisteten fantastische Arbeit. Einen kleinen Kritikpunkt bietet der Sound des Spiels aber trotzdem: zwar hat man selbst bei den vielen Nebencharakteren eine erstklassige Auswahl an Synchronstimmen getroffen, ausgerechnet der wohl prominenteste Sprecher weiß aber nicht wirklich zu überzeugen. Manfred Lehmann, dessen Stimme einem jeden Filmfan durch die Synchronisation von Bruce Willis schon mal zu Ohren gekommen sein sollte, liefert in der Rolle Corvos leider einen sehr emotionslosen Vortrag. Seine Stimmfarbe ist und bleibt gewaltig, eine großartige Auseinandersetzung mit den Höhen und Tiefen des erzählerischen Inhalts hat hier aber offensichtlich nicht stattgefunden.
 
Weiterhin gibt es leider auch Kleinigkeiten in Sachen der Technik zu bemängeln. Bedauerlicherweise gibt es ab und zu kleinere Grafikfehler, die zwar nicht schwerwiegend sind, das Gesamtbild aber etwas trüben. Genauso verliert man leider Framerate, wenn auf dem Bildschirm mal etwas mehr los ist – gerade in den schnellen, sehr direkten Kämpfen kann das schnell zu Problemen führen. Außerdem trat bei mir sogar ein Spielfehler auf, der mich durch die Spielwelt fallen und das ganze Geschehen von unten betrachten ließ. Ich konnte diesen Fehler zwar nicht reproduzieren, generell wirkten aber zwei kleinere Features, die ich nicht spoilern möchte, etwas fehleranfällig. Aber keine Angst: nur selten störten mich die Abstriche in der Technik, abgesehen von diesem größeren Fehler blieb mein Spieldurchlauf auch problemlos.

Wertung im Einzelnen
Story
9
Gameplay
9
Grafik/Artdesign
9
Musik/Sprecher
8
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