Releasetermin: 04.11.2016
Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: First-Person-Shooter
Entwickler: Infinity Ward
Herausgeber: Activision
Call of Duty: Infinite Warfare hatte es dieses Jahr wirklich nicht einfach. Nicht nur, dass die Konkurrenz in Form von Battlefield 1 und Titanfall 2 grandios ablieferte, es hagelte auch seitens der treuen Spielerschaft große Kritik. Das Zukunfts-Setting wirkte wesentlich uninteressanter als das Erstkriegsszenario von Battlefield 1 und auf der anderen Seite sorgte der Ankündigungs-Trailer von Infinite Warfare für einen absoluten Negativrekord in der Geschichte der Serie. Rund 3,4 Millionen schlechte Bewertungen auf das Video zum inzwischen dreizehnten Call of Duty sprechen Bände und hatten nicht zuletzt auch Auswirkungen auf die eher ernüchternden Verkaufszahlen des Titels. Ob Call of Duty: Infinite Warfare aber wirklich enttäuscht oder doch überraschen kann, klären wir im Test.
Klasseneditor mit taktischem Tiefgang
Auch bei Infinite Warfare liegt das Hauptaugenmerk auf dem umfangreichen Multiplayer des First-Person-Shooters. Meistens aufgeteilt in zwei Teams steht ihr euch online in packenden Schussgefechten auf unterschiedlichen engen Schauplätzen gegenüber. Veteranen fühlen sich hierbei sofort wohl: die Steuerung, das generelle Waffenhandling und auch die Modi sind bereits aus den Vorgängern bekannt. Im sogenannten Klasseneditor werdet ihr euch vor bzw. zwischen euren Kämpfen ausstatten. Nach der Auswahl einer Rüstung müsst ihr euch hier wie üblich die verschiedenen Primärwaffen, Granaten und Perks so zusammenstellen, dass ihr euch für die Schlacht gewappnet fühlt. Bei letzteren handelt es sich um bestimmte Fähigkeiten, die euch während des Spiels zur Verfügung stehen. Wählt ihr beispielsweise Explosionsschild, Totenstille und Hardliner aus, seid ihr resistenter gegen Schäden durch Explosionen, verursacht keine Geräusche durch Schritte und erhaltet eure Punkteserien früher als normal. Apropos Punkteserien: Schaltet ihr viele Gegner aus oder gelangt über andere Wege an hohe Punktzahlen ohne zwischendurch zu sterben, könnt ihr bestimmte Extras aktivieren. Dazu zählen unter anderem Drohnen oder automatische Geschütze, die euch im Kampf zur Seite stehen.
Wir sind noch nicht fertig: mit der Ladung gibt es noch eine Funktion, die vergleichbar mit den Punkteserien ist. Je nach ausgewählter Rüstung stehen hier unterschiedliche Auswahlmöglichkeiten zur Verfügung. Als Krieger könnt ihr den sogenannten Kampffokus auswählen, welcher, sobald aktiviert, vorübergehend mehr Punkte für Abschüsse bewirkt. Auf der anderen Seite gibt es beim Roboter, der eher auf Nahkampf und Tempo ausgelegt ist, eine Möglichkeit die eigene Position zurückzuspulen. Mit dem Merkmal gibt es zudem noch verschiedene passive Fähigkeiten. Ihr merkt sicher schon, der Klasseneditor von Call of Duty: Infinite Warfare ist erneut sehr umfangreich ausgefallen und zeigt sich auch in der Praxis als sehr taktikorientiert. Selbstverständlich stehen euch zu Beginn noch nicht alle Waffen, Rüstungen und Ladungen zur Verfügung, sodass ihr euch nicht sofort komplett überfordert fühlt. Außerdem könnt ihr nicht bedingungslos alle Sachen ausrüsten, wie ihr wollt. Call-of-Duty-Fans werden das Punktesystem bereits aus früheren Teilen kennen und auch in Infinite Warfare kommt es wieder zum Einsatz. Lieber auf ein Perk verzichten um mehr Granaten mitnehmen zu können? Das System schränkt euch zwar in gewisser Weise ein, lässt aber unglaublich viel Freiraum für taktische Planungen und experimentelle Klassen.
Große Abwechslung dank vieler unterschiedlicher Spielmodi
In den flüssigen Online-Matches mit einwandfreiem Matchmaking zeigt sich dann, ob die getroffene Auswahl die Richtige war. Anfangs seid ihr den gegnerischen Spielern noch sehr unterlegen, weshalb es sich lohnt auf eine der fünf Standardklassen zurückzugreifen, welche bereits Waffen aus höheren Stufen beinhalten. Mit steigendem Level und andauernder Benutzung von einzelnen Waffen werdet ihr natürlich nach und nach weitere Gewehre, Aufsätze, Perks, Rüstungen und vieles mehr freischalten. Beeindruckend ist es, wie unterschiedlich sich die Waffen spielen. Nicht nur unterscheiden sie sich in ihrer Feuerrate und dem Schaden, den sie anrichten, sie haben auch signifikante Auswirkungen auf die generellen Bewegungsmöglichkeiten unserer Spielfigur. Besonders gefallen haben mir auch die Primärausrüstungen. Abgesehen von normalen Splittergranaten gibt es auch Explosivdrohnen, Stolperfallen, Suchergranaten oder Biostachel. Hier zeigte Infinity Ward ein sehr kreatives Händchen für taktische Ausrüstungen.
Was die Aufgaben in den Online-Kämpfen sind, wird über die unterschiedlichen Spielmodi entschieden. Wer Call of Duty kennt, weiß, worauf er sich hierbei einstellen kann, was sowohl positive als auch negative Aspekte mit sich bringt. Einerseits gibt es hier keine großen Innovationen, andererseits bekommen wir eine riesige Auswahl an Spielregeln, die sich in den vergangenen Jahren mehr als bewährt haben. In den grundlegenden Modi stehen sich in der Regel acht bis zwölf Spieler gegenüber und treten zum Beispiel in Team-Deathmatch, Herrschaft, Abschuss Bestätigt oder Suchen und Zerstören gegeneinander an. Wer kein Teamspieler ist kann natürlich auch auf einen Jeder-Gegen-Jeden-Modus zurückgreifen, außerdem gibt es diverse experimentelle Modi wie Infiziert oder Waffenspiel, die die Auswahl durchaus auflockern. Nennenswert sind die Hardcore-Modi für Experten in denen die Runden mit Friendly Fire und niedrigeren Lebenspunkten um einiges kniffliger werden. Infinite Warfare macht hier in meinen Augen alles richtig und bietet eine große Auswahl, die abwechslungsreich ist und auch auf lange Sicht noch sehr viel Spaß machen sollte. Wer möchte, kann übrigens auch private Matches erstellen und dabei zahlreiche Einstellungen selbst bestimmen, was sogar Kämpfe gegen Bot-Gegner möglich macht.
Willkommen in der Zukunft
Dass Call of Duty: Infinite Warfare in der Zukunft angesiedelt ist, macht sich auch bei den Maps bemerkbar. Auf fast 15 Karten seht ihr euch mit sehr uneinheitlichen Schauplätzen konfrontiert. Egal ob ihr euch auf einer Raumstation, auf fremden Planeten, in einer futuristischen Stadt oder in einem Hochsicherheitsgefängnis befindet, eins haben die Austragungsorte gemeinsam: sie sind sehr eng! Auch wenn es Infinity Ward gelingt, archetektonisch sehr interessante Ansätze auf kleinem Raum umzusetzen wodurch sich die Maps schnell einprägen und lernen lassen, so funktioniert das Close-Quarters-System nicht immer so, wie man es sich wünscht. Einige Abschussserien wirken viel zu stark, Spawnpunkte sind oftmals zu nah an einem feindlichen Spieler platziert und generell machen schnelle Reaktionen stets mehr aus als bewusstes, taktisches Vorgehen. Ähnlich wie in Titanfall gibt es in Infinite Warfare das Schubpack, mit dem ihr euch auf Knopfdruck nach einem Sprung noch weiter nach oben befördern könnt. Zusammen mit den möglichen Wandläufen ergeben sich ganz neue Möglichkeiten, die agilen Fähigkeiten des Soldaten spielerisch einzubinden. Leider verpassen die Entwickler diese Chance jedoch, indem sie erstens nicht im geringsten an den Spielfluss des EA-Konkurrenten heranreichen und zweitens auf viel zu wenigen Maps wirklich guten Gebrauch von den Features machen. Im Endeffekt springen feindliche Spieler oft einfach nur zur Verwirrung vor einem herum anstatt sich über Wandläufe und geschickte Sprünge spielerische Vorteile zu verschaffen.
Ein kleiner Trost ist aber definitiv der hohe Detailgrad, mit dem Infinity Ward gearbeitet hat. Die Schauplätze sind überraschend farbenfroh und sehen bei der konstanten Framerate sehr ansehnlich aus. Schön ist auch die Neuumsetzungen der klassischen Terminal-Map, die besonders langjährige Fans sehr freuen dürfte. Natürlich kann Infinite Warfare nicht im geringsten mit den grafischen Effektfeuerwerken eines Battlefield 1 mithalten, das hübsche Design und die Details, die auch außerhalb des Schlachtfelds zu sehen sind, machen Call of Duty aber keinesfalls zu einem hässlichen Spiel. Auch in Sachen Animationen und Charaktermodelle kann Infinite Warfare punkten, zusätzlich ist die ganze futuristische Darstellung zwar nicht auf Realismus getrimmt, in sich geschlossen jedoch weitestgehend authentisch.
Überraschender erzählerischer Tiefgang
Natürlich hat Infinity Ward auch für Solisten gesorgt und bietet wie üblich die rund siebenstündige Einzelspielerkampagne an. Ich will ehrlich sein: nicht nur, weil man uns hier zum wiederholten Male ein Scifi-Szenario auftischt, sondern auch weil die Kampagne von den meisten Spielern nicht ohne Grund übersprungen wird, hatte ich sie auch in Infinite Warfare quasi schon abgeschrieben. Und meine Erwartungen schienen sich bereits in der ersten Stunde zu bestätigen. Die Figuren wirken auf den ersten Blick absolut austauschbar und dazu durchkämpft ihr die üblichen linearen Levelschläuche die vor Explosionen, Randeffekten und sonstigen Scripts nur so strotzen. Ähnlich ist es bei der Einführung in die Geschichte, welche zunächst ziemlich uninspiriert wirkt. Die Erde der fernen Zukunft befindet sich nämlich im Krieg mit der Siedlungsdefensivfront (SDF), einer Gruppe von Rebellen, die sich von der Erde abgespalten und eine riesige Armee aufgebaut hat. Ihr steckt in der Haut von Lieutenant Nick Reyes, der schnell zur zentralen Figur des Krieges wird, als die SDF ihren Großangriff auf die Erde gestartet hat.
Doch entgegen meiner Erwartungen steigt die Qualität des Einzelspielermodus mit wachsender Spieldauer enorm an. Spielerisch liegt hier natürlich das gleiche Grundgerüst zugrunde wie schon im Multiplayer. Auch in der Kampagne überzeugen die sehr unterschiedlichen Waffentypen, zusätzlich werden die akrobatischen Fähigkeiten von Reyes an vielen Stellen im Spiel sinnvoll genutzt. Ihr habt stets vor einer Mission die Wahl, mit welcher Ausrüstung ihr in den Kampf gehen wollt, wobei euch immer ein empfohlenes Ausrüstungs-Kit angezeigt wird. Im Kampf versorgt ihr euch dann über Munitionskisten oder Waffen von Feinden. Nach der anfänglichen Überinszenierung schafft es Infinite Warfare außerdem mal einen Gang herunterzuschalten und Überraschungsmomente gezielter zu platzieren, teilweise gelingt es den Entwicklern sogar, sehr ruhige, atmosphärische Momente zu schaffen. Das passiert besonders durch die durchweg sehr detaillierten Kulissen, die zwar aus technischer Sicht gerne mal schwanken, grundsätzlich aber überzeugen können. Am hübschesten ist das neue Call of Duty aber in den Zwischensequenzen, in denen besonders die Gesichtsanimationen dank Motion Capturing positiv herausstechen.
Zu Land und in der Luft
Auch wenn das Spiel meistens sehr linear ausfällt, gibt es in Infinite Warfare mehrmals auch größere Gebiete, die sich besonders dank mehrerer Ebenen sehr für die Wandläufe und Schubsprünge eignen. Ihr steuert Reyes nicht nur zu Fuß sondern wiederholt auch in Raumschiffschlachten. Diese sind toll in Szene gesetzt, könnten aber noch etwas abwechslungsreicher kreiert werden. Selten kommt es auch zu passenden Schleicheinlagen, welche das Geschehen auflockern und gerne öfter vorkommen könnten. Neu sind dieses Mal Nebenmissionen, die sich neben den sechs Hauptkapiteln optional bewältigen und die Spielzeit noch ein wenig ansteigen lassen. Und selbst die anfängliche Skepsis, die Charaktere würden absolut profillos bleiben, entfiel nach einiger Zeit. Verglichen mit einem Uncharted zieht Infinite Warfare natürlich den Kürzeren, aber es gibt in der Kampagne genügend Dialoge, die den Figuren Leben einhauchen. Sogar die wenigen emotionalen Momente, darunter beispielsweise moralische Gewissenskonflikte, wirkten nicht gänzlich aufgesetzt. Leider bleiben die Hintergrundgeschichte und die Motive des Konflikts mit der SDF über die Spieldauer weitestgehend unbeleuchtet. Obwohl er durchaus interessant hätte werden können bleibt zudem der Antagonist des Spiels leider sehr eindimensional.
Doch hier hört der Umfang von Call of Duty: Infinite Warfare noch nicht auf. Mit Zombies in Spaceland feiert nämlich der beliebte Zombiemodus ein Comeback! Nach einer unterhaltsamen Einleitung durch einen Zeichentrickfilm werdet ihr hier in die 1980er zurückversetzt und bekommt einen spaßigen Wellenmodus präsentiert, in dem ihr Hordenweise Zombies ausschalten müsst. Angesiedelt ist das Geschehen in einem alten Vergnügungspark, indem ihr euch vor den Untoten durch das Platzieren von Holzbrettern schützen müsst und nach und nach durch das Erreichen von Punkten im Gebiet fortschreiten könnt. Natürlich gibt es auch hier wieder eine große Auswahl an Waffen, dazu kommen aber auch Power-Ups und Upgrades. Der Modus unterhält für einige Stunden und besticht vor allem durch einen gewissen Trash-Charme mit vielen kleinen Eastereggs. Den größten Spielspaß holt ihr hier aber definitiv im Koop-Multiplayer mit Freunden heraus!
Fazit – Call of Duty: Infinite Warfare
Call of Duty bleibt auch anno 2016 Call of Duty, mit dabei alle Vor- und Nachteile, welche die Reihe seit Jahren mit sich bringt. Leider setzt das durchaus gelungene Grundgerüst nach all den Jahren etwas Staub an und das gefühlt inzwischen zehnte Zukunftsszenario lockt keinen mehr hinter dem Ofen hervor. Dennoch hat der umfangreiche Mehrspielermodus trotz kleiner Krankheiten wie den zu kleinen Maps oder schlecht gesetzten Spawn-Punkten auch in Infinite Warfare noch das selbe Suchtpotenzial. Zahlreiche Waffen, Einstellungsmöglichkeiten und die riesige Spielmodi-Auswahl tragen dazu bei, dass Call of Duty mich abermals für viele Stunden fesselte. Überraschenderweise konnte mich auch der Storymodus unterhalten, da dieser sich zumindest mal an Charakterisierung versuchte und spielerisch sehr viel Abwechslung bot. Für Koop-Fans ist außerdem der trashige Modus Zombies in Spaceland definitiv einen Blick wert. Trotzdem hoffe ich, dass Activision sich dazu entscheidet, das Thema Zukunft vorerst abzuschließen und im nächsten Ableger mehr Mut zu erzählerischen und spielerischen Neuerrungen mitbringt.
Einzelspielerkampagne bietet viel spielerische Abwechslung und gute erzählerische Ansätze Sprungschübe und Wandlauffähigkeiten interessant… Zahlreiche Waffen, Perks und Fähigkeiten ermöglichen taktische Tiefe Umfangreicher Mehrspielermodus motiviert über lange Zeit Hoher Detailgrad in den Umgebungen |
Spawn-Punkte gelegentlich frustrierend …in der Praxis aber zu wenig genutzt Spielmechaniken und Setting setzen Staub an |
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