Releasetermin: 23. August 2016
Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Action-Rollenspiel
Entwickler: Eidos Montreal, Nixxes Software
Herausgeber: Square Enix
Was lange währt, wird endlich gut? Eigentlich sollte Deus Ex: Mankind Divided schon im Februar in den Läden stehen, doch wie bei Square Enix aktuell nicht ganz unüblich, konnte der geplante Release-Termin nicht eingehalten werden. Die zusätzlichen Monate sollten dazu dienen, dem Cyberpunk-Actionspiel den letzten Feinschliff zu verpassen und letzte Probleme zu beseitigen. In der Theorie darf sich Deus Ex: Mankind Divided auch keine zu großen Patzer leisten, hat es durch die überwiegend sehr positiven Kritiken am Vorgänger ein schweres Erbe anzutreten. Wie gut sich der neuste Streich von Eidos Montreal in der Praxis geschlagen hat, erfahrt ihr im folgenden Test!
Adam Jensen ist kein gewöhnlicher Mensch, doch das ist im Jahre 2029 keine Seltenheit mehr. Die Biotechnik ist inzwischen so weit fortgeschritten, dass ein Großteil der Menschheit über Augmentierungen zur Verbesserung menschlicher Leistungen verfügt. Doch eine solche Technik birgt Gefahren, wenn sie zum Werkzeug der Kriminalität wird. Unternehmen versuchen die Techniken zu monopolisieren und nach den Ereignissen aus Deus Ex: Human Revolution verfällt die Gesellschaft in zwei Klassen und Unruhen dominieren den Alltag. Und nein, ich besitze keine Körpermodifikation, die meine Erinnerungen an ein Spiel aus dem Jahre 2011 verstärkt, Mankind Divided beginnt schlicht einfach mit einer ausführlichen Zusammenfassung, welche die Ereignisse aus dem Vorgänger innerhalb von zwölf Minuten leicht verständlich auf den Punkt bringt.
Inmitten des zerfallenen Prags
Schon früh merkt man hier, dass Deus Ex: Mankind Divided einem eine Menge zu erzählen hat. Nach einem Vorfall, bei dem zahlreiche Personen mit Augmentierungen, die sogenannten Optis, die Kontrolle über ihr Handeln verloren haben, zeichnet sich im futuristischen Prag eine sehr spannende Szenerie. Adam Jensen ist inzwischen bei der Task Force 29, einer geheimen Spezialeinheit von Interpol, und nachdem es einen Terroranschlag auf einen Bahnhof gab, befindet er sich auf der Jagd nach der verantwortlichen Terrororganisation. So flach und einseitig bleibt die Geschichte dabei selbstverständlich nicht, nach und nach entwickelt sich ein sehr verwobenes Storykonstrukt, das besonders mit seinen Wendungen sehr zu begeistern weiß. Noch viel spannender war in meinen Augen aber das, was zwischen den Zeilen geschieht. Mankind Divided spielt überwiegend in der halb offenen Spielwelt Prags, in der das Reisen zwischen den einzelnen Stadtteilen mittels Zügen ermöglicht wird. Theoretisch sind die meisten Orte euch zu jedem Zeitpunkt zugänglich, ein Open-World-Gefühl wie man es aus Titeln von Rockstar oder Ubisoft kennt, solltet ihr aber nicht erwarten.
Prag ist sehr eng und verfügt über viele kleine Straßen und enge Gassen. Überwältigend ist aber, mit welcher Detailverliebtheit die Entwickler von Eidos Montreal der dystopischen Stadt Leben eingehaucht haben. Vandalismus, Armut und besonders die gespaltene Gesellschaft werden sowohl im Design der Spielwelt als auch in den Dialogzeilen der Zivilisten deutlich. Kommt man das erste Mal in den Vorort Golem City sieht man wie Optis eingesperrt werden, nicht genügend Geld für Nahrung haben oder von Angst und Verzweiflung geprägt sind. Selten konnte ich so gut in eine Spielwelt eintauchen, selten habe ich mich so gerne in der Umgebung umgeschaut und nach weiteren Kleinigkeiten Ausschau gehalten. Spannend waren auch die herumliegenden elektronischen Zeitschriften, eBooks und hackbaren Laptops, die weitere Einblicke in Prag, seine Organisationen und Menschen bieten konnten. Die Entwickler handelten hier sehr konsequent und kreierten eine sehr glaubhafte Spielwelt.
Waffen & Augmentierungen
Im Kern ist Deus Ex: Mankind Divided ein Ego-Shooter mit sehr hohem Schleich- und Taktikanteil und einigen Rollenspielelementen. Für Anfänger wird zunächst die etwas hakelige Steuerung frustrierend sein, in den Einstellungen gibt es aber genügend Alternativbelegungen und nach etwas Einarbeitungszeit geht diese auch von der Hand. Das Repertoire an Waffen ist schlicht, doch es funktioniert: Pistolen, MPs, Schrotflinten und Gewehre lassen sich allesamt in verschiedenen Aspekten durch gesammelte Bauteile verbessern oder anpassen. Wesentlich spektakulärer sind aber selbstverständlich die Augmentierungen, über die Adam Jensen verfügt. Abgesehen von einigen eher passiven Fähigkeiten wird das Gameplay durch die Körpermodifikationen maßgeblich geprägt. Kurzzeitig unsichtbar an korrupten Polizisten vorbeischleichen? Höhere Sprünge absolvieren können? Kameras durch Hacking manipulieren? Die Auswahl ist sehr groß und lädt zum Experimentieren ein. Es ist euch allerdings nicht möglich, einfach alle Augmentierungen gleichzeitig zu aktivieren. In Jensens Körper wurden auf unerklärliche Weise Augmentierungen gefunden, die dort nicht planmäßig verbaut wurden. Da sein Körper jedoch nicht auf diese Erweiterungen ausgelegt ist, können Komplikationen entstehen, wenn alle gleichzeitig aktiviert werden.
Verschiedene Möglichkeiten zur Bewältigung der Missionen
Dank den Waffen und Körpermodifikationen wird euch schon eine große spielerische Freiheit geboten, doch auch das Leveldesign spielt hier eine große Rolle. Ihr habt stets die freie Wahl, ob ihr rabiat vorgehen oder euch ans Schleichen halten wollt. Deus Ex: Mankind Divided ist eines der Spiele, in denen ihr auf dem Papier dazu in der Lage seid, sämtliche Missionen zu bewältigen, ohne einen einzigen Gegner umbringen zu müssen. Mankind Divided ist eindeutig auf eine ruhige Spielweise ausgelegt, was an den zahlreichen Wegen zum Ziel deutlich wird. Müsst ihr euch durch eine der vielen Sperrzonen in Prag bewegen, dürft ihr mit polizeilicher Verfolgung rechnen, wenn man euch entdeckt. Ob ihr euch jetzt nach und nach von Deckung zu Deckung vorarbeitet oder euch doch lieber nach einem Lüftungsschacht in der Nähe umseht, bleibt euch überlassen. Mittels eines kleinen Hacking-Minispiels könnt ihr euch außerdem häufig Zugang zu weiteren Räumen verschaffen, was euch ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Fakt ist: Nie gibt es nur einen Weg, einen Levelabschnitt zu meistern.
Abseits der Story
Wer möchte, kann sich optional übrigens noch einer Hand voll Nebenmissionen widmen. Auch wenn diese teilweise nicht direkt in Verbindung mit der Hauptgeschichte stehen, verleihen sie vielen kleinen Charakteren eine Hintergrundgeschichte. Hier kommt das Gefühl der offenen Welt auch ein ganzes Stück mehr zum Tragen, da ihr oft von einem Ende des Stadtbezirks zum nächsten geschickt werdet und wesentlich mehr Ecken Prags zu Gesicht bekommt. Ein Beispiel: ein Hacker scheint sich Zugang in das System der geheimen Task Force 29 zu verschaffen und ist im Begriff, ihre Tarnung aufzudecken. Ein Hinweis führt Jensen in eine Wohnung ganz in der Nähe des Unterschlupfes der Spezialeinheit. Da ich mit meinen Fähigkeiten noch nicht in der Lage dazu war, die Türverriegelung zu hacken, hielt ich Ausschau nach weiteren Möglichkeiten, in die Wohnung eindringen zu können. Nachdem ich etwas am Haus entlang geklettert war, konnte ich anschließend über ein Fenster in die Wohnung einsteigen. Als ich mich vergewissert hatte, dass niemand zugegen ist, hackte ich den Laptop im Wohnzimmer. Darauf gespeichert waren drei E-Mails mit Hinweisen auf schmutzige Geschäfte, dazu ein Online-Chat in dem ich in Erfahrung bringen konnte, dass der gesuchte Hacker die Informationen scheinbar für die Titelstory einer Zeitschrift verkaufen wollte. Ich ließ den Redakteur im Glauben, ich sei der Hacker, und machte mit ihm ein Treffen für “weitere Verhandlungen” aus. Wie das Ganze am anderen Ende der Stadt endet, möchte ich hier natürlich nicht vorweg nehmen.
Zwiespalt bei Erzählung und Grafik
Deus Ex lässt sich enorm viel Zeit. So gehaltvoll die Welt und Geschichte des Spiels ist, seid geduldig mit den Dialogen und der generellen Geschwindigkeit von Deus Ex. Auch wenn die Gespräche inhaltlich deutliche Stärken beherbergen, sie sind leider sehr starr präsentiert, was besonders dann für Langeweile sorgt, wenn sie sich über mehrere Minuten erstrecken. Daran können auch die Dialogoptionen, welche die Identifikation mit Adam Jensen vereinfachen, nicht viel ändern. Leider kommt noch dazu, dass die deutsche Synchronisation sehr durchwachsen ist und nur bei wenigen Figuren wirklich zu begeistern weiß. Außerdem ist die Lippensynchronität nicht immer gegeben, in wenigen Fällen sind die Mundbewegungen bei mir auch komplett ausgefallen.
Abgesehen davon ist die Technik des Spiels aber absolut solide. Auch wenn wir aus dem Hause Square Enix in der jüngsten Vergangenheit hübschere Charaktermodelle und schärfere Texturen gewohnt waren, überzeugt Deus Ex: Mankind Divided mit einer fantastischen Optik. Wir haben hier ein sehr konsequentes Artdesign und eine authentisch kreierte Zukunft. Durch das Szenenbild mit hohem Detailgrad habe ich mich in meinem Spieldurchlauf mehrmals dabei erwischt, dass ich stehen geblieben bin um mir die Umgebung genauer anzuschauen. Minimale Kritik muss ich aber noch am HUD äußern: der Spielbildschirm wirkt mit Karte, Augmentierungen, Missionszielen, Munitionsbestand, Ausrüstung und markierten Gegnern besonders zu Beginn ziemlich überladen. Nach ein bisschen Eingewöhnungszeit lässt man sich hiervon aber nicht weiter ablenken, optional sind viele Anzeigen auch abstellbar.
Fühlen wie ein Hacker im neuen Breach-Modus
Ein kleines Extra neben der normalen Story stellt der Breach-Modus dar. Dieser verfolgt ein zunächst merkwürdiges, aber innovatives Konzept und lässt den Spieler in die Rolle eines Hackers schlüpfen. Hierzu werden die grundlegenden Spielmechaniken der Geschichte von Deus Ex übernommen und in ein komplett anderes grafisches Gewand gesteckt. Bis auf schwarz, weiß und lila dürft ihr hier nicht mit vielen Farben rechnen, der minimalistische Look repräsentiert die virtuelle Realität aber überraschend präzise. In Breach geht es darum, Daten von großen Firmen zu stehlen, das Gameplay ist hierbei die künstlerische Umsetzung des Datenklaus. Grundsätzlich ist es eure Aufgabe, euch durch verzweigte Räume zu bewegen und nach Datenspeichern Ausschau zu halten. Nachdem ihr die Daten entwendet habt schreitet ihr weiter im Gebiet voran, bis ihr die vorgegebene Menge an Firmeninformationen erreicht habt. Abschließend geht ein Alarm los, und ihr müsst in vorgegebener Zeit wieder zum Einstiegspunkt zurückkehren, was aber oftmals gar nicht so leicht gelingt. Da einige Türen plötzlich verschlossen sind, müssen Umwege gesucht werden und auch schießfreudige Gegner versperren oftmals den Weg.
Analog zur Hauptstory spielen das Waffenmanagement und das Ausrüsten von Augmentierungen auch bei Breach eine große Rolle und findet stets zwischen den einzelnen Hackangriffen statt. Hier erhaltet ihr auch immer wieder Booster-Packs, die mit einzelnen Items, Waffen oder Munitionstypen gefüllt sind. Auch wenn wir hier nicht ein Leveldesign mit der Tiefe des Hauptspiels serviert bekommen und auch erzählerisch eher weniger geboten wird, ist der experimentelle Extra-Modus einen Blick wert und gut geeignet, um die Spielzeit am Ende noch um einige Stunden zu erhöhen. Durch den Zeitdruck und die eher kleinen Areale fühlen sich Highscore-Jäger herausgefordert, doch noch eine bessere Zeit zu schaffen oder einen Abschnitt auf andere Weise, beispielsweise mit anderen Augmentierungen, zu lösen.
Deus Ex: Mankind Divided – Fazit:
Die Entwickler von Eidos Montreal inszenieren in Deus Ex: Mankind Divded eine Dystopie, die nicht nur durch ihre aktuelle Relevanz unglaublich spannend ist. Die in Armut lebende, gespaltene Gesellschaft, Korruption und die Angst durch Terror wurden mir in Mankind Divded auf eine Weise präsentiert, wie ich es zuvor noch nicht gesehen habe. Dazu trägt insbesondere auch die Detailverliebtheit, mit der die Entwickler an die Schöpfung des verfallenen Prags herangegangen sind, maßgeblich bei. Auf der spielerischen Seite begeisterte Mankind Divided mich mit seinem funktionierenden Mix aus Schleichen, Augmentierungen und der Diversität an Lösungswegen. Die anfangs schnell frustrierende Steuerung und einige technische Schwächen trüben das Gesamtbild zwar etwas, die spannende Geschichte fesselte mich aber auch nach den knapp 25 Spielstunden noch immer an den Controller.
Gelungener Mix aus Schleichen & Schießen Spannende Geschichte mit interessanten Wendungen Augmentierungen sinnvoll in Story & Gameplay eingebunden Einführung fasst Deus Ex: Human Revolution knapp zusammen Experimenteller Breach-Modus |
Geringe technische Schwächen (z.B. bei der Lippensynchronität) Steuerung sorgt anfangs für Frust Dialoge sehr starr präsentiert |
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