Releasetermin: 18.11.2014
Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: First-Person-Shooter, Adventure
Entwickler: Ubisoft Montreal
Herausgeber: Ubisoft
Die deutschen Entwickler von Crytek starteten mit dem Spiel Far Cry im Jahr 2004 eine durchaus erfolgreiche Serie für Ubisoft. Der Nachfolger kam nicht mehr aus dem Hause Crytek, sondern wurde von Ubisofts internem Montreal-Studio entworfen. Während der zweite Teil noch mit gemischter Kritik aufgefasst wurde, erschuf das Team mit Far Cry 3 wohl einen der besten Open World Shooter auf der PS3. Der Erfolg dieses Ablegers ließ keine Zweifel daran, dass Ubisoft die Serie weiterführen wird – und nun, zwei Jahre später, ist Far Cry 4 auf dem Markt. Doch kann der neuste Titel die Qualität des Vorgängers aufrecht erhalten? Wir sind auf der PS4 nach Kyrat gezogen und berichten von unseren Erlebnissen.
Psychotischer Bösewicht
Far Cry 4 führt die Tradition fort, inhaltlich nichts mit seinen Vorgängern gemeinsam zu haben. Jeder Teil stellt ein eigenes Kapitel dar, weshalb auch Neueinsteiger der Serie keinerlei Probleme haben werden, der Handlung zu folgen. Sowohl die Spielwelt von Kyrat, dem Land in den Bergen des Himalaya, als auch sämtliche Figuren werden uns erstmals vorgestellt. Der Protagonist hört auf den Namen Ajay Ghale, der in Kyrat geboren, allerdings in den Vereinigten Staaten von seiner Mutter großgezogen wurde. Nachdem diese stirbt, will Ajay den letzten Wunsch seiner Mutter erfüllen und ihre Asche in ihrem Geburtsland verstreuen. Dass Ajay einem fulminanten Abenteuer bevorsteht, hat er vor seiner Reise nicht geahnt: Nicht nur Anhänger des Goldenen Pfades, eine Rebellionstruppe, interessieren sich für die Ankunft des Amerikaners, sondern auch Pagan Min, selbsternannter König des Regimes, will Ajay in Empfang nehmen. Der Hauptcharakter wird unfreiwillig Teil des in Kyrat herrschenden Bürgerkriegs und kann mit seinen Entscheidungen die Zukunft des Lands bestimmen. Wir lernen viele interessante Figuren kennen, aus denen Bösewicht Pagan Min aber deutlich heraussticht. Der Gegenspieler sorgt mit seinem unberechenbaren Wahnsinn für gleichermaßen lustige, spannende und schockierende Momente. Auch wenn die Figur nicht an die Bedrohlichkeit und Ausstrahlung von Schurke Vaas aus Far Cry 3 herankommt, wird mir Pagan Min als würdiger Bösewicht im Kopf bleiben. Die Vertreter des Goldenen Pfades sind weitaus weniger polarisierend, weisen jedoch ebenfalls interessante Charakterzüge auf. Wir erhalten im Gespräch mit den Charakteren verschiedene Sichtweisen auf die Situation in Kyrat. Innerhalb des Goldenen Pfades gibt es ebenso Meinungsverschiedenheiten, wodurch das ein oder andere Mal unsere Entscheidung erfordert ist und so der Verlauf der Handlung variiert wird. Die Story ist solide geschrieben und hat mich mit der Mischung aus Spannung, Action und einer Prise Humor richtig in den Bann gezogen. Ubisoft hat dem Spiel einen alternativen Plot spendiert, bei dem schon nach rund 15 Minuten die Credits über den Bildschirm laufen – nette Idee! Auch die sekundäre Story um die mythischen Geheimnisse von Kyrat, die vor übernatürlichen Geschehnissen nur so strotzt und faszinierende Anblicke beschert, ist eine tolle Beigabe. Ubisoft hat in Hinsicht narrativer Ausstattung vorzügliche Arbeit geleistet!
Per Elefant durch Kyrat
Das Spielgeschehen von Far Cry 4 orientiert sich deutlich am hochgelobten Vorgänger. Der stärkste Punkt ist die Spielwelt von Kyrat, die mit einer gewaltigen Fläche zur Erkundung einlädt. Uns werden mehrere Möglichkeiten zur Fortbewegung zur Verfügung gestellt. Es ist leicht, sich stundenlang beim Erkunden von Kyrat zu Fuß, per Quad oder Buggy zu Boden, per Hovercraft-Boot zu Wasser oder auch per Wingsuit, Gleiter oder Gyrokopter in der Luft zu verlieren. Der Titel bietet eine große Auswahl an Waffen, die von brachialen Wummen wie Maschinengewehren und Schrotflinten bis hin zu leisen Waffen wie Bögen und Wurfmessern reichen. Sowohl ein vorsichtiges Schleichvorgehen wie auch explosivlastiges Ramboverhalten ist möglich. In der Spielwelt sind jede Menge Gefolgsleute von Pagan Min verstreut, die darauf warten, ins Gefecht gegen uns zu ziehen. So sind patrouillierende Feinde unterwegs, ebenso finden sich die Außenposten des Vorgängers wieder. Schlagen wir in diesen Stützpunkten alle Gegner nieder, können wir einen Wachturm erklimmen und neue Teile der Map freilegen. Während die Einnahme von Außenposten den Einfluss von Pagan Min reduziert, ist insbesondere die Stürmung einer Festung eine gute Maßnahme, um den Bösewicht zu schwächen. Diese Festungen sind deutlich schwieriger einzunehmen und erfordern eine umfangreiche, effektive Ausrüstung und überlegtes Vorgehen. Als sei Mins Armee nicht genug, müssen wir uns in Far Cry 4 vor einer ganz anderen Gefahr in Acht nehmen: Die Wildnis von Kyrat. Tiere sind schon immer ein Highlight der Serie gewesen und das ist hier nicht anders. Es gibt viele Arten von wilden Tieren zu entdecken, die zwischen ungefährlich scheu und verdammt gefährlich und angriffslustig schwanken. Die Jagd nach bestimmten Tieren ist gekoppelt an diverse Missionen und an die Erweiterung der Ausstattung. Es gilt, mit aufgeführten Fellarten unsere Taschen zu erweitern, damit wir mehr Beute, Geld und Munition mit uns tragen können. Die Interaktion mit den Tieren ist ein großer Spaß und ich habe mich prächtig amüsiert, das Verhalten der diversen Wesen zu studieren. Dass ich einem Nashorn oder einem Bären zu Fuß nicht allzu nah kommen sollte, macht in der Theorie durchaus Sinn – ausprobiert habe ich die Annäherung natürlich trotzdem, Scheitern ist vorprogrammiert. Angepriesen wurde im Voraus die Interaktion mit Elefanten, denn wir können auf den Rüsseltieren reiten und dadurch deutlich mehr Gefahr ausstrahlen. Es ist möglich, mit dem Elefanten auf Feinde und Tiere loszustürmen und mit dem Rüssel um sich zu schlagen. Es fühlt sich befriedigend mächtig an, auf dem Elefanten zu thronen – und ich bin jedes Mal aufs Neue traurig, wenn ich nach einer halben Stunde auf meinem neuem Freund eine Mine übersehe und das schwere Tier das Zeitliche segnet. Egal ob Story-Mission, Nebenauftrag, Außenposten/Festungs-Eroberung, Tierjagd oder die simple Erkundung: Far Cry 4 bietet eine Menge Möglichkeiten, sich auf dem riesigen Sandkasten auszutoben. Ich habe bereits viele Stunden damit verbracht, mein Inventar durch hart erarbeitetes Tierfell zu erweitern, neue Fähigkeiten zu erlernen und auszuprobieren und etliche Feinde zu besiegen und kenne immer noch weitaus nicht alle Ecken von Kyrat. Wer ein Spiel sucht, um dutzende Stunden vor dem TV zu verbringen, hat in Far Cry 4 durch die Fülle der Missionen und Lebendigkeit der Spielwelt den richtigen Titel gefunden. Wer sich nun denkt „Hört sich an wie Teil 3“ hat durchaus recht: Der neuste Ableger spielt sich weitestgehend gleich wie sein Vorgänger, was aber keine Schwäche ausmacht, schließlich war schon FC3 hervorragend. Wer allerdings kein Déjà-vu erleben möchte, sollte seine Reise nach Kyrat lieber überdenken.
Gemeinsam oder gegeneinander?
Der Shooter kommt nicht nur mit einer Solospielererfahrung daher, sondern setzt auch verstärkt auf die Online-Komponente. Neu dabei ist die Möglichkeit zum Koop. Hier können wir mit einem Kumpel nach Kyrat ziehen. Die Tätigkeiten fallen ähnlich wie bei Assassin’s Creed im Koop aus: Abseits der Story ist so ziemlich alles gemeinsam zu erleben. Während wir die Handlungsmissionen alleine absolvieren müssen, ist die freie Erkundung auch kooperativ möglich. Besonders die Einnahme einer Festung macht zu zweit mehr Spaß. Wenn zwei eingespielte Partner, auf Elefanten sitzend, vor den Toren einer Festung stehen, haben Pagan Mins Leute nichts mehr zu lachen. Ich bin großer Fan von Koop-Geschehen und habe mich an den diversen Koop-Missionen erfreut und meine Fellbesorgungen hauptsächlich mit Begleitung erledigt. Einziger Wermutstropfen: Die Einrichtung einer Koop-Sitzung geschieht nicht nahtlos, also nicht aus dem laufenden Spiel heraus. Stattdessen muss im Hauptmenü explizit eine Koop-Spielsitzung gestartet werden, damit wir Freunde einladen können. An dieser Stelle kommen auch die „Schlüssel zu Kyrat“ zum Einsatz. Als Käufer des Spiels erhält man solche Schlüssel, die zu Release auf 10 Exemplare begrenzt waren, nun aber unbegrenzt bereitstehen. Diese Schlüssel können an Freunde im PSN geschickt werden, die sich anschließend einen Spiel-Client im Store laden und mit euch im Koop spielen können – obwohl sie das Spiel nicht besitzen! Insgesamt 2 Stunden können sich Schlüsselbesitzer in Kyrat austoben, was ich als tolle Möglichkeit ansehe, PSN-Bekanntschaften das Spiel ans Herz zu legen. Zusätzlich zur Koop-Variante gibt es einen kompetitiven Teil, der auf den Namen „Kampf um Kyrat“ hört. Ich finde die beiden zur Verfügung stehenden Fraktionen äußerst interessant: Man steht entweder auf der Seite der Krieger des Goldenen Pfades, oder spielt als übernatürlicher Einwohner auf der Seite von Pagan Min. Moderne Waffen stehen im Kontrast zu Pfeil und Bogen in Kombination mit übernatürlichen Kräften, was zunächst Bedenken über das Balancing bei mir ausgelöst hat. Ich war allerdings angenehm überrascht, dass Ubisoft die gerechte Gestaltung der Fraktionen gelungen ist. Zur Hälfte jedes Matches werden die Rollen getauscht, was weiterhin für Gerechtigkeit sorgt. Ein ausführlicher Map-Editor macht den Abschluss in Sachen Umfang. Zwar ist es (noch?) nicht möglich, eigene Maps für den kompetitiven Multiplayer anzufertigen. Allerdings lassen sich neue Umgebungen erstellen bzw. bestehende abändern, um besondere Herausforderungen aufzubauen. So lässt sich beispielsweise ein Außenposten gestalten, wir dürfen über die Anzahl der Gegner, die Positionierung von Explosivfässern und und und entscheiden. Auch gibt es online schon verrückte Kreationen zu finden, in denen z.B. Ziegen die Rolle der Gegner einnehmen oder die Schwerkraft merklich verändert wurde. Egal ob knifflig präsentierte Situationen oder reine Spaßlevel – der Map-Editor liefert noch mehr Abwechslung und wird mit einem zukünftigen Patch auch für Koop-Spiele kompatibel gemacht.
Landschaften zum Urlaub machen
Visuell ist Far Cry 4 ein Spektakel. Allen voran die farbenfrohen Shangir-La Missionen sind ein richtiger Augenschmaus. Kyrat ist wundervoll gestaltet und überzeugt mit unterschiedlichen Arealen. Tiefster Dschungel, am Wasser gelegene Idyllen und Schneelandschaften weit oben in den Bergen sind nur einige Beispiele, wie vielfältig die Gestaltung der Spielwelt ausfällt. Charaktere und Tiere sind detailliert präsentiert und die Texturenarbeit von Ubisoft macht einen insgesamt guten Eindruck. Hier und da ist mal eine matschige Steintextur zu sehen, doch letztendlich gibt das Spiel ein löblich poliertes Bild bei nahezu konstanten 30 FPS ab. Auch der Soundtrack weiß vollends zu überzeugen. Die orientalisch angehauchten und zugleich flotten Klänge tragen gut zur actionreichen Art des Spiels bei. Die Synchronisation ist besonders im englischen Original mit Troy Baker als Pagan Min zu empfehlen. Allerdings haben auch die deutschen Sprecher eine vorzügliche Arbeit geleistet, auch hier sticht Pagan Min-Sprecher Torsten Michaelis (deutsche Stimme von u.A. Wesley Snipes) heraus. Technisch also liefert man die selbe Qualität wie inhaltlich ab.
Fazit
Far Cry 4 geht deutlich nach dem Rezept, das schon Teil 3 zu einem tollen Spiel gemacht hat. Es gibt in Form von Kyrat eine vielfältige Spielwelt zu entdecken, die mit ihren wilden Tieren und Geheimnissen niemals langweilig wird. Die Story ist unterhaltsam und lebt vom unberechenbaren Bösewicht. Rasante Ballereien ebenso wie Stealthpassagen überzeugen durch bewährte Spielmechaniken. Wer schon mit Far Cry 3 nicht warm wurde, sollte auch diesen Ableger meiden. Alle anderen können sich auf die selben Stärken freuen, die durch Koop-Gameplay erweitert wurden – und durch den Ritt auf Elefanten.