Releasetermin: 15.05.2018
Medientyp: Download
Genre: Abenteuer, Puzzle-Plattformer
Entwickler: ThroughLine Games
Herausgeber: Square Enix Collective
Kommt ein Spiel mit Anime-Optik daher, haben viele Spieler oftmals Vorurteile. Das liegt daran, dass solche Spiele zumeist auch auf Manga- oder Anime-Vorlage basieren und zahlreiche dieser Titel nach einem ähnlichen Schema ablaufen. Dass es aber auch ganz anders geht, beweist Throughline Games mit Forgotton Anne. Das Spiel präsentiert sich als eine Art Puzzle-Plattformer, der neben cleverem Leveldesign auch liebevoll gestaltete Zwischensequenzen im Anime-Look bieten möchte. Da der Titel mit einem untypischen Genre für diese Optik daherkommt und nicht auf einer Manga-Vorlage basiert, war ich gespannt, was das geschichtslastige Abenteuer bereit halten würde. Auch die Unterstützung von Square Enix mit einem Veröffentlichungsdeal unter dem “Square Enix Collective”-Programm machte mich neugierig, da mir bisher gefallen hat, was mit dieser Initiative gefördert wurde. Konnte mich Forgotton Anne also überzeugen? Erfahrt es hier in meinem Test.
Im Reich der Vergessenen
Forgotton Anne spielt in einem Reich, das abseits der Zivilisation existiert. Hier dreht sich alles um die so genannten Vergessenen. Das sind Wesen und Objekte, die von ihren Besitzern in der realen Welt verlegt, verloren oder schlichtweg vergessen wurden. Egal ob eine einsame Socke, ein Schuh, der seinen passenden Fuß vermisst, oder ein grimmiger Teddybär – alle Neuankömmlinge werden in dieser Welt zum Leben erweckt und müssen einen Job annehmen. Die Protagonistin Anne, die als Hüterin für Recht und Ordnung sorgt, und Meister Bonku haben sich nämlich den Bau der Ätherbrücke vorgenommen. Mit dieser sollen alle Wesen und Gegenstände wieder in die Welt der Menschen zurückkehren können, weshalb möglichst viele Arbeiter für die Fertigstellung benötigt werden. Der Bau der Brücke geht gut voran, wird jedoch durch einen Rebellenangriff aufgehalten. Der Spieler übernimmt die Rolle der Hüterin Anne und wird mit der Aufgabe betraut, dem Angriff nachzugehen.
Schwierige Entscheidungen
Die Geschichte kommt mit herrlichen Fantasy-Einflüssen daher und erzählt eine schöne Geschichte, die mit netten Wendungen und tollen Figuren keinesfalls nur auf jüngere Spieler ausgerichtet ist. Anne besitzt den so genannte Arca-Stein, mit dem sie Anima-Energie extrahieren kann, die in der Welt der Vergessenen eine wichtige Bedeutung hat. Anima versorgt viele Geräte nicht nur mit Strom, sondern ist auch elementarer Bestandteil eines jeden Vergessenen. Als Hüterin hat Anne durch Arca die Macht, Vergessene zu destillieren. Das heißt, dass sie die Energie aus zum Leben erweckten Wesen extrahiert und diese somit ins Nirvana schickt. Unruhestifter werden von Meister Bonku und Anne nicht geduldet, weshalb die Hauptfigur auch nicht davor zurückscheut, von ihren Arca-Kräften Gebrauch zu machen. Spannend wird es, wenn dem Spieler die Entscheidung über eine Destillierung gegeben wird.
Ist es notwendig, den Vergessenen zu destillieren? Sagt er die Wahrheit oder ist ihm nicht zu trauen? Ich habe in vielen Fällen unmittelbar nach der Tat meine Entscheidung bereut und hatte ein ganz flaues Gefühl im Magen. Habe ich den Lügner erwischt oder hat es doch einen Unschuldigen betroffen? Steht es mir wirklich zu, über “Leben” und “Tod” der Wesen zu urteilen? Sind die Rebellen, die sich den Gesetzen des mysteriösen Reiches nicht beugen wollen, wirklich die “Bösen”?
Das Spiel schafft es, dass man als Spieler jede Entscheidung in Frage stellt. Dazu kommen rudimentäre Entscheidungsmöglichkeiten in den Konversationen, bei denen Anne häufig die Wahl aus zwei vorgefertigten Antworten hat. Die Optionen fallen nicht so tiefgründig aus wie beispielsweise in der Mass Effect-Reihe, tragen aber dennoch gelungen zum Spielerlebnis bei. Basierend auf den Entscheidungen weichen manche Ereignisse und Dialoge voneinander ab. Forgotton Anne bietet zudem zwei verschiedene Enden, weiterhin wird nach dem Abschluss die eigene Spielweise quasi bewertet, unsere Entscheidungen werden ausgewertet. Auch wenn sich der letzte Abschnitt des Spiels inhaltlich etwas überhastet anfühlt, hat mir sehr gefallen, wie Story und Entscheidungsmöglichkeiten ein besonderes Erlebnis ausmachen. Mit einer Spielzeit von etwa 6-8 Stunden und dem zusätzlichen Ende geht das Preis-Leistungsverhältnis (20€ im Store) voll in Ordnung. Die Spielzeit kann außerdem erhöht werden, indem man sich vorknöpft, alle Sammelobjekte zu finden oder gar alle Hüter-Ränge zu erlangen.
Seichtes Plattforming, schwammige Steuerung
Der Titel präsentiert sein Spielgeschehen in liebevoll gestalteten 2D-Arealen. Hier bringt das Spiel diverse Plattforming-Mechaniken ein. Wir springen und klettern, greifen zudem auf Fähigkeiten und Hilfsmittel wie Flügel zum erweiterten Sprung zurück. Dabei fällt das Leveldesign nie sonderlich komplex aus und wirft dem Spieler nur selten wirklich schwierige Passagen vor. Das ist vielleicht aber auch ganz gut so, da Protagonistin Anne sich manchmal etwas schwammig steuern lässt.
Ich habe den einen oder anderen vermeintlich einfachen Sprung dann doch nicht geschafft, was ich der steifen Steuerung zuschreibe, durch die ich das Springen nicht immer genau einschätzen konnte. Ebenso wird penibel darauf geachtet, dass man auf den Pixel genau direkt unter einer Kante steht, bevor man die geforderte Kletterbewegung durchführen kann. In diesem Aspekt fühlt sich der Titel ein wenig angestaubt an und sorgte selten gar dafür, dass mich manche Spielabschnitte fast schon frustriert haben. Da die Kletter- und Sprungpassagen aber eben zumeist sehr einfach zu bewältigen sind, trat dieses Gefühl zum Glück aber nur selten bei mir auf.
Rätsel und Erkundung als weitere Spielfaktoren
Weiterhin großer Bestandteil des Gameplays ist das Lösen von Rätseln in der Umgebung. Die Puzzle-Segmente drehen sich häufig um das angesprochene Anima, das zum Weiterkommen an bestimmten Stellen transferiert werden muss. Die Rätsel bauen in einem Gebiet häufig aufeinander auf, sodass man erst diverse Schalter in einem Ende des Levels umlegen muss, bevor man an anderer Stelle fortschreiten kann. Auch hier fallen die Mechaniken eher seicht aus, was mich aber nicht weiter gestört hat. Diese Abschnitte passen gut zum entspannten Spielgefühl und haben mich gut unterhalten, auch wenn die Rätsel größtenteils unspektakulär konzipiert sind. Zu guter letzt legt Forgotton Anne wert auf die Erkundung der dargestellten Gebiete. Als Belohnung gibt es oftmals den Fund von Sammelobjekten und virtuellen Tagebucheinträgen mit zusätzlichen Storyinfos.
Ein Genuss für Augen und Ohren
Das wirkliche Highlight stellt allerdings die Optik dar, die sich besonders bei der Erkundung entfaltet. Der Titel arbeitet mit mehreren Ebenen im Vorder- und Hintergrund, weshalb die Ansicht manchmal fast schon dreidimensional wirkt, obwohl wir lediglich eine 2D-Perspektive sehen. Die Grafik im Anime-Stil zieht sich sowohl durch die Story-Zwischensequenzen als auch durch die Optik im Spielgeschehen. Egal ob Innenausstattungen der Gebäude oder Darstellungen in der Außenwelt – es gibt quasi in jeder Szene viele Bildpunkte, die man sich gerne einmal genauer anschaut. Die Animationen der Figuren fallen dabei abgehakt aus, was aber gut zum Eindruck eines spielbaren Animes passt. Auch die Farben der Spielwelt können mit einer bunten Palette überzeugen. Die grafische Inszenierung ist ohne Zweifel etwas besonderes und ich würde mir wünschen, dass sich Entwickler häufiger an solch einem Grafikstil probieren würden.
Auch akustisch macht das Spiel vieles richtig. Die Gespräche mit NPCs und Storyfiguren sind allesamt in Englisch vertont, die Sprecher haben tolle Arbeit geleistet. Wer das Gesprochene nicht versteht, kann deutsche Untertitel hinzuschalten. Stark beeindruckt hat mich auch die musikalische Untermalung. Während unserer Reise ertönen orchestrale Klänge, die die Atmosphäre perfekt unterstützen und den Eindruck verstärken, man würde einen Studio Ghibli-Film spielen.