Releasetermin: 24.06.2016
Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Action-Rollenspiel, Sidescrolling-Brawler
Entwickler: Vanillaware
Herausgeber: Atlus
Odin Sphere kam 2008 in Europa auf den Markt und wurde für die PS2 entworfen. Auch wenn zu diesem Zeitpunkt bereits die PS3 erhältlich war, ging das Spiel keineswegs unter und wurde zum regelrechten Geheimtipp. Odin Sphere war dabei das erste entwickelte Spiel von Vanillaware (wenn auch das zweite veröffentlichte – Atlus hielt die Veröffentlichung einige Monate zurück). Das japanische Studio hatte mit ähnlichen Spielen wie Dragon’s Crown seither ebenfalls Erfolg, konnte aber nie an die Popularität ihres ersten Titels anknüpfen. Wie lautet in diesem Fall ein logischer Schritt? Der Fan-Liebling Odin Sphere erhält auf der PS4 nun ein Remaster bzw. Remake spendiert! Dabei handelt es sich jedoch um keine einfache Anpassung der Bildschirmauflösung, sondern um eine moderne Auffassung des Klassikers. Vereint Odin Sphere Leifthrasir die Stärken des Originals mit zeitgerechter Technik? Werden gar noch spielerische Verbesserungen mit drauf gepackt? Wir haben es herausgefunden!
Während die meisten Remaster-Titel lediglich optisch einen Schritt nach vorne machen, geht Odin Sphere Leifthrasir die Sache anders an. Zwar lässt sich das PS2-Original in 1080p und 60 Frames spielen, doch ist das wahre Highlight eine überarbeitete Version. Es liegt also nicht nur das Original vor, sondern auch eine rundum verbesserte Fassung. Auch wenn inhaltlich mehr oder weniger das gleiche geboten wird, fühlt sich die neue Version durch überarbeitete Mechaniken stellenweise wie ein neues Spiel an. Doch kommen wir erst einmal auf den Inhalt zu sprechen, bevor ich auf die Änderungen eingehe.
Eine wahrlich epische Erzählung aus fünf Perspektiven
Odin Sphere stützt sich stark auf verschiedene europäische Mythologien. Dabei versucht es nicht, die Vorlagen exakt wiederzugeben, sondern Inspiration zu Figuren, Schauplätzen und Ereignissen einzuholen. Der Titel spielt im Zauberreich von Erion, das von einem stürmischen Krieg heimgesucht wird. Der Dämonenfürst Odin ist mit seiner Truppe an Walküren am Vormarsch, doch stirbt seine Tochter Griselda in der Schlacht. Mit letzter Kraft überreicht sie ihren magischen Speer an ihre jüngere Schwester Gwendolin. Diese ist alles andere als eine geborene Kämpferin und weiß mit ihrer unsicheren Art zunächst nichts mit der verzauberten Waffe anzufangen. Doch als eine längst vergessene Prophezeiung eintritt und Erion mit der Apokalypse droht, ist Gwendolins Zeit gekommen, die Welt zu retten.
Das epische Märchen dreht sich jedoch nicht nur um Gwendolin, sondern bietet insgesamt fünf Hauptcharaktere mit eigenen Storysträngen. Neben der überlebenden Tochter von Odin spielen der verfluchte Prinz Kornelius, der Schattenritter Oswald, die Feenprinzessin Maresa und die Königstochter Velvette eine Rolle und sind direkt von der apokalyptischen Prophezeihung betroffen. Das Spiel bietet für jede der Figuren ein “Buch” als Handlungsstrang an und hat sogar noch ein sechstes Exemplar nach Abschluss aller Storyzweige in petto. Wer hier alles richtig macht, wird sogar noch mit einem siebten, finalen Buch belohnt, in dem das richtige Ende lauert. Da oftmals Bedingungen für ein “True Ending” völlig abstrus sind, hat es mich gefreut, dass die Anforderungen in Odin Sphere ausreichend angedeutet und auch ohne Anleitung zu erkennen sein sollten.
Spieler können mit mindestens 5 Stunden Spielzeit pro Buch rechnen, sodass die epische Erzählung eine Dauer von über 40 Stunden bietet – ein gewaltiger Umfang!
Je weiter ich in das Abenteuer eintauchte, desto mehr fesselte mich das Geschehen! Mit steigender Spielzahl nimmt die Spannung zu. Dass die fünf Handlungen ineinander greifen, hilft dabei, dass jede der Erzählungen wichtig und interessant erscheint. Dies sorgt außerdem dafür, dass sich diverse Enthüllungen erst spät ergeben. Nicht selten enden die Storystränge in Cliffhangern, die erst in anderen Kapiteln erneut aufgegriffen werden. Dadurch ist ein spannender Schlussabschnitt garantiert. Die umfangreichen Handlungsabschnitte haben ebenfalls zum Vorteil, dass die verschiedenen Figuren gut durchleuchtet werden. Hintergrundinformationen und Motive werden ausreichend erklärt, was insgesamt für eine wirklich tolle Geschichte sorgt. Dieses epische Märchen hat es echt in sich!
Simpel und doch komplex
Odin Sphere Leifthrasir stellt ein Action-Rollenspiel dar, das sich durch Kampfgeschehen im 2D-Sidescrolling-Stil auszeichnet. So wie die Handlung vom Konzept der Handvoll Protagonisten profitiert, zieht auch das Spielgeschehen seine Vorteile daraus. Denn jeder Charakter präsentiert sich mit einer anderen Spielweise, was Abwechslung in das ausführliche Abenteuer bringt. So gibt es grobe Unterschiede wie die Art der benutzten Waffe, doch auch feine Differenzierungen wie Eigenheiten bei der Fortbewegung. Maresa setzt sich beispielsweise bereits mit ihrer Armbrust als Fernkampfwaffe in der Spielweise von den anderen Figuren ab. Das Kampfsystem legt auf Komboketten wert, sodass es von Bedeutung ist, das Verhalten der Waffen gut zu kennen. Denn nicht alle Schwerter schwingen sich gleich schnell und nicht alle haben die gleiche Reichweite.
Auch verfügen die Charaktere über verschiedene Fähigkeiten, die sich gut im Spielfluss einsetzen lassen und „Stärke“ bzw. Manapunkte verbrauchen. Trotz des Fokus auf Kombos ist das grundsätzliche Kampfgeschehen leicht zu erlernen und geht locker von der Hand. So kämpfen sich Spieler durch zahlreiche Feinde und durchstreifen die Umgebungen in klassischer Sidescrolling-Manier. Neben Gegnern können wir allerdings auch auf zerstörbare Objekte treffen, die eine Belohnung für uns verstecken halten. Weiterhin sind „Rastzonen“ zwischen den Kampfarealen verteilt, in denen der Spieler in Ruhe seine Items verwalten und verwerten kann. Das Highlight jedoch sind sowohl „Mini-Bosse“ als auch die richtigen Bosskämpfe, mit denen jedes Kapitel endet. Insbesondere an diesen übergroßen Feinden spielen lange Komboketten ihre Stärke aus und machen das Kämpfen zum befriedigenden Element.
Feinste Rollenspiel-Aspekte im Angebot
Doch hat das Spielgeschehen mehr zu bieten als die spaßigen Gefechte. Wie es sich für ein RPG gehört, sind hier mehrere Mechaniken auf die Entwicklung der Charaktere ausgelegt. So spielt das Aufleveln der Figuren natürlich eine große Rolle. Die Besiegung von Feinden wird mit EXP belohnt, die wiederum zur Aufstufung führen. Ein Skillbaum sorgt immer wieder für neue Fertigkeiten, die das Geschehen abwechslungsreich gestalten. Hier kann das allgemeine Können mit Talenten aufgestuft oder einzelne passive und aktive Fähigkeiten verbessert werden. Die Fertigkeiten entstammen so genanntem „Phosonenprisma“, das in der Umgebung gefunden oder beim Kämpfen verdient wird.
Die eigentliche Aufstufung gelingt durch „Phosonen“, die ebenfalls im Kampf und durch Erkundung verteilt werden, aber wesentlich häufiger als das Prisma vorkommen. Auch Waffen können auf diese Weise aufgewertet werden. Weiterhin Bestandteil des Spiels sind Zaubertränke, die sowohl unseren Zustand verbessern und beispielsweise heilen oder entgiften können, als auch in offensiver Auslegung vorliegen und zum Angriff bereit stehen. Alchemie-Funde können zudem in diesen Zaubertränken resultieren, was einen angenehmen Crafting-Aspekt zur Folge hat. Die ganzen Elemente mögen konfus wirken, doch erklärt das Spiel seine Konzepte ausführlich und Schritt für Schritt.
Guten Appetit!
Neben den üblichen RPG-Aspekten kommt ein System rund um Essen hinzu – denn sollten die Figuren zu ihrem Vorteil Nahrung in großen Mengen zu sich nehmen. Das Essen kann nicht nur gefunden und bei Händlern erworben, sondern auch angepflanzt und kurz darauf gepflückt werden. Finden wir einen Samen, können wir diesen in den Boden einpflanzen und mit Phosonen zum Aufblühen bringen. Die daraus resultierende Frucht verleiht nicht nur eine Menge Erfahrungspunkte, sondern stellt auch Lebensenergie und Mana wieder her. Auch wenn Phosonen recht großzügig verteilt werden, ist die Frage nach dem Einsatz stets wichtig. Denn wird das magische Element in mehreren Weisen genutzt, von denen das Anpflanzen nur eine ist.
Selbes Spiel, anderes Spielgefühl
War im Original noch der gelegentliche Besuch eines Untergrund-Restaurants üblich, das spezielle Booster-Mahlzeiten verteilte, kommt nun eine andere Mechanik zum Einsatz. Es liegen hin und wieder die angesprochenen Rastzonen vor, die Zutritt zu Maurys mobilen Restaurant gewähren. Haben wir entsprechende Rezepte und Zutaten dabei, zaubert der Chefkoch Maury uns einen besonders hilfreichen Gang her, der unsere Erfahrung hochtreibt und unsere Statuseffekte verbessert – ein charmantes Konzept. Der Besuch stationärer Restaurants ist allerdings weiterhin möglich. Damit soll es mit den Veränderungen aber nicht gewesen sein. Als Remaster / Remake verfügt Leifthrasir über diverse Neuerungen, die das Spiel verbessern. So gibt es neben einer größeren Fülle an Fähigkeiten nun auch mächtige “Ultimate Attacks”.
Dazu sind weitaus komplexere Komboketten im Kampf üblich, als es noch zu PS2-Zeiten möglich war. Sogar eine Level-Umstrukturierung hat das Spiel über sich ergehen lassen. Spielten sich manche Abschnitte nach einiger Zeit repetitiv, sorgt eine leicht veränderte Struktur in Kombination mit Platforming-Passagen für mehr Abwechslung. Wer beim Gedanken daran, sich einen Großteil der Spielzeit durch die Gegner zu schnetzeln, allerdings schon vor Langeweile gähnt, sollte sich von Odin Sphere eventuell distanzieren. Denn trotz Platforming-Umstrukturierung bleibt das Geschehen eintönig, da die verschiedenen Figuren die selben Areale durchkreuzen.
Wem allerdings das Konzept voll und ganz zusagt, ist im Glück. Denn hat Vanillaware einige Modi der moderneren Spiele Muramasa oder Dragon’s Crown implementiert. Eine Art New Game Plus ist nun vorhanden, genauso wie ein zusätzlicher Schwierigkeitsgrad, der mit einem knackig schweren Gesundheitslimit für eine Herausforderung sorgt. Wer nach den 40+ Stunden immer noch nicht genug von Odin Sphere hat, kann sich nach Abschluss der Geschichte in einem selbsterklärendem 30-Wellen-Boss-Modus austoben. Im Großen und Ganzen ist Leifthrasir noch das selbe Odin Sphere, doch sorgen die Verbesserungen für ein insgesamt besseres Erlebnis.
Wer das Original jedoch so sehr ins Herz geschlossen hat, dass er es nochmal in ursprünglicher Form spielen will, kann dies im “Klassik-Modus” erleben – der allerdings dennoch mit der grafischen Aufarbeitung daher kommt.
Artstil und Buchpräsentation sorgen gepaart mit dem Soundtrack für ein fantastisches Erlebnis
Denn nicht nur spielerisch und inhaltlich sind Änderungen zu bemerken. Auch die Grafik hat natürlich einen Sprung nach vorne gemacht. Doch sei an dieser Stelle anzumerken, dass Odin Sphere schon auf der PS2 einen verdammt hübschen Eindruck gemacht hatte! So freut es mich zu sehen, dass die Ästhetik des Spiels beibehalten wurde. Die Texturen und Figurendetails sind nun natürlich um einiges schärfer und auch die Farben präsentieren sich kräftiger. Die Auflösung von 1080p ist selbstverständlich ebenfalls gegeben – genauso wie butterweiche 60 Frames pro Sekunde.
Hier liegt auch die wohltuendste Verbesserung, denn war die Performance das große Problem des ambitionierten PS2-Spiels. Trotz verbesserter Effekte hat die PS4 keine Mühe, die Framerate konstant zu halten. Aufgrund des Artstils gehört Odin Sphere Leifthrasir durchaus zu dem Hübschesten, was in diesem Jahr auf der Konsole veröffentlicht wurde. Die Präsentation mit dem Konzept um Bücher und Kapitel ist charmant umgesetzt und so manche Umgebung sieht einfach atemberaubend schön aus! Und ich staune immer noch nicht schlecht, zu welcher Grafikleistung die PS2 imstande war!
Spieler können sich zwischen der englischen und japanischen Vertonung entscheiden, die beide einen tollen Eindruck hinterlassen. Selbst unwichtig erscheinende NPCs wurden mit passenden Stimmen untermalt. Erfreulicherweise sind deutsche Untertitel und übersetzte Menütexte gegeben. Der Orchester-Soundtrack ist gelungen präsentiert und überzeugt mit verträumten, atmosphärischen Klängen. In den Kämpfen geht die Musik vor lauter Waffenkollisionen und Schreien regelrecht unter, doch punkten sie dafür in den Zwischensequenzen und ruhigeren Phasen umso mehr.
Fazit
Odin Sphere Leifthrasir stellt eines der besten Remaster-Werke dar. Heutzutage würden einige Schwächen des Originals für ein mühevolles Erlebnis sorgen, doch merzt die Aufarbeitung allerlei Probleme aus. Die Entwickler von Vanillaware implementierten Verbesserungen, die sie sich mit anderen aktuelleren Spielen wie Dragon’s Crown erarbeitet haben. Odin Sphere wird durch diese Neuerungen zum absolut empfehlenswerten Abenteuer. Die Geschichte, von europäischer Mythologie angehaucht, ist wahnsinnig gut strukturiert und umgesetzt. Das Kampfgeschehen ist zugänglich und spaßig, doch sind ebenso komplexe Komboketten möglich. Diverse RPG-Mechaniken erhöhen den Langzeitspaß. Zudem sorgen neue Modi dafür, dass auch alte Fans noch etwas Neues in Leifthrasir zu entdecken haben. Präsentiert wird das Ganze in einer bezaubernd schönen Optik und einem verträumten Soundtrack, was in beiden Fällen untermalt, dass Odin Sphere Leifthrasir ein besonderes Erlebnis ist.
Übrigens: Wer den Titel sowohl für PS4 und PS Vita besitzt, kann seinen Speicherstand per Cross-Save-Funktion hin und herschieben. So kann das epische Märchen auf dem heimischen Bildschirm begonnen und unterwegs auf dem Handheld fortgesetzt werden!
Tolle Story, gutes Pacing und durchdachte Handlungsstruktur Zugängliches Kampfsystem, in dem man dank Komboketten dennoch sein Können zeigen kann Fantastische RPG-Elemente rund um „Phosonen“, Crafting und Aufstufen Gewaltiger Umfang (mit Original-Spiel als Zusatz) Inhaltlich und spielerisch mit den genau richtigen Verbesserungen Bezaubernd schöne Grafik Toller Soundtrack und gelungene Synchronisationen in Englisch und Japanisch |
Trotz Umstrukturierung der Spielareale kämpft Odin Sphere mit Repetition
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