Until Dawn im Test

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Releasetermin: 26.08.2015

Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Interaktives Story-Abenteuer / Horror
Entwickler: Supermassive Games
Herausgeber: Sony Computer Entertainment

 

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In Horror-Slasher-Filmen sterben die Charaktere zumeist wie die Fliegen. Sie tappen in die auffälligsten Fallen, schreien mit ihrem unüberlegten Verhalten förmlich nach dem Tod. Wer sich schon immer darüber geärgert hat, wie bescheuert Figuren in Horrorstreifen handeln, kann seine Überlebenskünste nun selbst unter Beweis stellen. Die Entwickler von Supermassive Games geben uns die Chance, ein interaktives Horror-Abenteuer zu bestreiten. Habe ich mich in Until Dawn besser angestellt als die meisten Film-Figuren?

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Es war einmal in Kanada

Die Prämisse von Until Dawn sprudelt nicht gerade vor Einfallsreichtum. Das Geschehen ist aus etlichen Film-Vorbildern bekannt: Ein verunglückter Streich hat tödliche Folgen. Ein Jahr später trifft sich die Gruppe an Teenagern wieder, um den Verstorbenen zu gedenken und um das Leben zu zelebrieren. Wer hätte gedacht, dass der Trip in die verlassene, kanadische Berglandschaft auch beim zweiten Mal nicht gut geht? Der Auftakt wirft mit Klischees um sich und auch die acht Protagonisten erfüllen zunächst die Stereotypen. Das war jedoch auch die Intention der verantwortlichen Schreiber. Sie hatten das Ziel, bestehende Stereotypen mit neuem Leben zu füllen, was gut funktioniert hat, wie der Spielverlauf zeigt. Auch wenn ich zu Beginn gleich mehrere Figuren auf dem Kieker hatte, ließ mich die Handlung fast alle Charaktere nach und nach ins Herz schließen. Until Dawn bietet keine revolutionäre Story des Genres, hat aber doch die ein oder andere Überraschung auf Lager. Der Auftakt zieht sich etwas in die Länge, doch sobald die Handlung Fahrt aufnimmt, weiß das Geschehen rund um die Teenager absolut zu unterhalten. Insbesondere haben mir die Sequenzen beim Psychoanalytiker gefallen. Wie passt solch ein Seelendoktor in die Handlung? Diese Frage zieht sich als Mysterium durch das Spiel, sodass ich mich stets freute, dem gruseligen Psychoanalytiker erneut gegenüber zu sitzen. Until Dawn ist auf mehrere Kapitel aufgeteilt, wobei diese durch die kurzweilige Therapie abgeschlossen werden. Eingeläutet hingegen werden die Kapitel durch einen Rückblick auf das bisher Geschehene. Diese „Was bisher geschah“-Szenen sind gut inszeniert und einerseits sehr praktisch, wenn man den Titel in mehreren Sitzungen beendet. Da das Spiel insgesamt aber nicht sehr lang und jedes Kapitel in weniger als einer Stunde zu absolvieren ist, kam mir die Rückblende auf das Geschehen um die Charaktere oftmals etwas überflüssig vor.

Wer wird überleben?

Wie die Figuren agieren, liegt größtenteils in der Hand des Spielers. Wie schon erwähnt ist Until Dawn vielmehr ein interaktives Erlebnis als ein gewöhnliches Spiel. Zwar gibt es auch Erkundungsszenen, bei denen wir kleine bis mittelgroße Areale frei begehen dürfen, doch zumeist werden wir durch Entscheidungen in das Geschehen eingebunden. Egal ob bei der Interaktion der Figuren miteinander oder beim Bewältigen gefährlicher Situationen – wir bestimmen, was geschieht. Die Entwickler stützen sich hier auf den „Schmetterlingseffekt“. Jede Handlung, jede Entscheidung hat seine Folgen, auch wenn diese nicht unmittelbar ersichtlich erscheinen. Behandeln wir eine Figur schlecht, stellt sie sich einige Kapitel später womöglich dieser Charakter gegen uns, was wir den Umständen entsprechend bereuen könnten. Manche Entscheidungen sind seicht und unwichtig, andere wiederum sind von immenser Bedeutung. Ob eine Entscheidung Folgen mit sich zieht, wissen wir beim Handeln jedoch natürlich nicht. Da der Titel fast permanent den Fortschritt speichert, müssen wir mit unseren Entscheidungen leben. Jede Figur kann sterben und es liegt in unserer Hand, dies zu verhindern oder zu verursachen. Da mir die Protagonisten schnell ans Herz gewachsen sind, war ich in gefährlichen Situationen immer entsprechend angespannt. Das Schmetterlingseffekt-System funktioniert toll und stellt den unterhaltsamsten Aspekt von Until Dawn dar. Die Supermassive Entwickler haben mit der Angabe, es gäbe hunderte verschiedene Enden zwar etwas dick aufgetragen. Da alle sterben und alle leben können, ergeben sich durchaus dreistellige Kombinationsmöglichkeiten an überlebenden Teenagern. Story-technisch aber bleiben die Auflösungen alle nahe beieinander, es gibt nur leichte Abweichungen. Im Spielverlauf geht das Konzept allerdings vollkommen auf. Der Schmetterlingseffekt erscheint bedeutsam, es gibt dutzende Abzweigungen, die die Handlung eingehen kann. Es ist möglich, aufgrund der Entscheidungen umfangreiche Segmente komplett zu verpassen. Beim zweiten Durchgang können Spieler ein abweichendes Abenteuer erleben, sodass trotz Spieldauer von nur rund 8-10 Stunden für Langzeitspaß gesorgt ist.

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Reaktionstest und Erkundung

Until Dawn besteht nicht nur aus Entscheidungen. Ebenfalls Bestandteil des Titels sind Quick-Time-Events. Da so einige Leute nicht gerade begeistert von diesen Reaktionstests sind, bleibt an der Stelle anzumerken, dass sich die QTEs in Grenzen halten. Ebenfalls wird das Spielgeschehen durch Erkundung geformt, bei der sich allerlei Dinge finden lassen. Zum einen sind so genannte Totems in den Arealen verstreut. Sie geben Tipps und Prophezeiungen ab. Beim Anblick eines Totems sieht der Finder eine kurze Szene aus der Zukunft. Diese gibt es in verschiedenen Kategorien und so kann beispielsweise der Tod einer Figur vorausgesehen werden. Sammelt man entsprechend viele Totems und erkennt beim Spielen die prophezeiten Szenen wieder, können wir unser Wissen über einen etwaigen Ausgang der Situation ausnutzen und die Prophezeiung entweder zutreffen lassen oder abwenden – je nachdem, was in der Lage mehr Sinn macht. Weiterhin in der Umgebung zu finden sind Hinweise auf das Geschehen. Zeitungsartikel, Bilder, eine zerbrochene Kamera – verschiedene Gegenstände können Licht ins Dunkel bringen und die Handlung vorantreiben. Ebenso können die Hinweise im Spielverlauf nützlich werden: Mit dem Wissen über etwas handelt man in manchen Situationen anders. Die Erkundung der Spielwelt wird belohnt, da Sammler mehr vom Spiel haben. Die Hinweise und Totems tragen zum Mysterium der Story bei und durch gewisse Vorahnungen lassen sich schlimme Situationen vermeiden. In den Erkundungsszenen kommt außerdem ein anderer Aspekt voll zur Geltung: Die Atmosphäre des Spiels ist phasenweise gruselig gut. Insbesondere beim Erforschen schummriger Areale wird eine beeindruckende Anspannung geschaffen, die sich nicht vor den Horror-Größen der Videospielszene verstecken muss. Auch die Kameraperspektiven tragen zur Grusel-Atmosphäre bei – die teils festen Ansichten erinnerten mich stark an die frühen Resident Evil-Teile. Im Kontrast zur Atmosphäre steht der aufgeblähte, übertriebene Umgang mit Jump Scares. Gefühlt alle drei Minuten springt irgendetwas uns entgegen. Die Jump Scares sind zumeist billig gemacht, oft vorauszuahnen und doch bringen sie ihren Charme mit sich. Sie zielen auf kurze Schreckmomente ab, lockern die Stimmung wieder auf. Meine Reaktion auf die Jump Scares war oftmals ein erleichtertes Lachen, da die Situationen nicht selten absolut ungefährlich ausfallen. Die dichte Atmosphäre und die billigen Jump Scares harmonieren erstaunlich gut miteinander. Ich muss Supermassive Games auch für die Integration der Playstation Camera loben. Wer das Zubehör angeschlossen hat, wird bei besonders fiesen Jump Scares gefilmt. Anschließed lassen sich die kurzen Clips anschauen, die sowohl das Spielgeschehen in einem Ausschnitt als auch unsere Reaktion in einem weiteren Fenster präsentieren. Nicht minder gut gefallen hat mir das Bonus-Material, das durch die Absolvierung der Story-Kapitel nach und nach freigeschaltet wird. Es ist interessant, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen.

Hübsche Grafik und Tonprobleme

Im ersten Bonus-Video sind die Schauspieler zu sehen, die die Teenager im Spiel verkörpern. Sony und Supermassive haben keine Kosten und Mühen gescheut und einige namenhafte Schauspieler verpflichtet. Hayden Panettiere dürfte aus dem Cast wohl am bekanntesten sein, doch auch Rami Malek, Peter Stormare und Brett Dalton dürften einigen ein Begriff sein. Das Motion-Capture ist wunderbar gelungen, denn die Figurenmodelle im Spiel überzeugen mit Animationen und Detailgrad. Allen voran Gesichter und Haut sind mehr als ansehnlich gestaltet, kommen ihren Vorbildern sehr nahe. Auch die Darstellung der Augen kann punkten. Oftmals leiden Videospielcharaktere an „toten Augen“, doch hier ist die Umsetzung gelungen. Die Areale sind zumeist zwar schummrig und dunkel gestaltet, strotzen jedoch auch mit allerlei Blickfängen. Die Umgebungstexturen sind detailliert und harmonieren sehr schön mit Lichteffekten, die das Spiel gut beherrscht. Optisch ist Until Dawn ein wahrer Leckerbissen und gehört zum Besten, was wir auf Konsolen zu sehen bekommen. Der Soundtrack des Titels spielt auf ähnlich hohem Niveau mit. Die Lieder passen zur Stimmung wie die Faust aufs Auge. Nicht ungerechtfertigt hat auch die Entstehung des Soundtracks ein Bonus-Video erhalten. Bei den Stimmen der Figuren aber macht das Figur eine schlechtere Figur. Die deutschen Sprecher sind passabel, wenn auch nicht immer lippensynchron. In der deutschen Fassung sind mir zudem des Öfteren Tonprobleme aufgefallen. Manche Stimmen sind leiser, manche lauter. Im Originalton habe ich den Lautstärkeunterschied nicht bemerkt, aber insgesamt klingen die Stimmen blechern. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass dies beabsichtigt ist. Es passt zum Trash-Charme, den der Titel mit vielen Aspekten versprüht. Dennoch leidet die Audio-Qualität darunter, sodass mich dies sowohl im Deutschen als auch Englischen eher gestört hat.

Fazit

Trotz zähem Auftakt macht Until Dawn schnell klar: Das Horror-Setting funktioniert wunderbar mit der interaktiven Formel ala Heavy Rain. Supermassive Games spielt mit Klischees und gibt uns die Kontrolle darüber, sie zu erfüllen oder zu brechen. Das Konzept um den Schmetterlingseffekt geht voll auf und macht Until Dawn zum denkwürdigen Horror-Erlebnis. Der Spagat aus Grusel-Atmosphäre und Billig-Jump Scares gelingt. Die schauspielerische Leistung, die ansehnliche Grafik und der fantastische Soundtrack tragen gekonnt zur Erfahrung bei. Ich schätze Until Dawn sehr für das, was es ist: Ein rund 9 stündiges Horror-Abenteuer, das weder in die gewöhnliche Sparte „Spiel“ noch „Film“ gesteckt werden kann und will.

Positiv-Icon Spannende Story mit so einigen Überraschungen

Positiv-Icon Schmetterlingseffekt-System überzeugt

Positiv-Icon Gelungener Spagat aus Grusel-Atmosphäre und Billig-Jump Scares

Positiv-Icon Grafik sieht klasse aus

Positiv-Icon Soundtrack ist fantastisch

Negativ-Icon Gelegentlich Tonprobleme bei sprechenden Charakteren
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Hey Leute, ich bin der Dominik, Redakteur, und stürze mich für euch gerne in die aktuellsten News und Reviews der PS4 :)