Releasetermin: 27.10.2017
Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: First-Person-Shooter
Entwickler: MachineGames
Herausgeber: Bethesda
Bethesda ist diesen Herbst wirklich fleißig: neben Wolfenstein 2: The New Colossus veröffentlichte der Publisher bereits den Horror-Hit The Evil Within 2, außerdem stehen diverse Ports und VR-Umsetzungen auf dem Plan. Doch zurück zu Wolfenstein 2: als direkte Fortsetzung zu The New Order möchte das Spiel an die kompromisslose Shooter-Action alter Schule anknüpfen und erneut eine spannende Geschichte inmitten einer fiktiven Vergangenheit erzählen. Der Vorgänger konnte mich vollends überzeugen – ob das auch The New Colossus gelingt, erfahrt ihr in unserem Test.
Schnell im Geschehen
Erzählerisch setzt Wolfenstein 2 die Handlung des Vorgängers aus dem Jahre 2014 unmittelbar fort. BJ Blazkowicz – anfänglich noch von vorangegangenen Ereignissen verletzt und dementsprechend nur im Rollstuhl unterwegs – bekommt keine lange Pause und muss sich schon früh erneut gegen die Nationalsozialisten behaupten. Trotz eines Zwischenerfolges in The New Order haben diese die Vereinigten Staaten eingenommen. Blazkowicz und weitere Widerstandskämpfer haben es sich zur Aufgabe gemacht, das Regime zu stürzen und die USA zu befreien – mit einigen Problemen ist auf dem Weg aber selbstverständlich zu rechnen.
Es ist schön zu sehen, dass es die Entwickler von MachineGames geschafft haben, die Narration wieder komplett im gewohnten Stil abzuliefern. Trotz düsterer Thematiken und teilweise brutalen Szenen gelang es dem Studio, auch emotionalen Momenten und Comedy-Einlagen genügend Raum zu bieten. Es ist eine Gratwanderung, aber ich konnte mich mit Figuren identifizieren, in bestimmten Momenten ihre authentischen Gefühlen nachempfinden und in wieder anderen über sarkastische Kommentare bzw. schwarzen Humor herzlich lachen. Zu verdanken ist dies unter anderem den umfangreichen Zwischensequenzen, mit denen Wolfenstein 2 den Spieler auf filmisch unterhalten kann. Zusammengezählt füllen diese mehrere Stunden, nehmen aber nie zu viel Spieldauer in Anspruch und beschneiden das Gameplay keineswegs.
Trotzdem kriegen wir hier essenzielle Einblicke in die Spielwelt und die Charaktere, zwei entscheidende Stärken von The New Colossus. Das Setting setzt in einer technologisch fortschrittlichen Welt an, die vom Nationalsozialismus geprägt ist und alte Tugenden mit futuristischem Fortschritt vermischt. Dem sind nicht nur spannende Schauplätze zu verdanken, auch von der spielerischen Seite ergeben sich dadurch natürlich ganz neue Möglichkeiten – dazu unten mehr. Doch nicht einmal das Drehbuch selbst, sondern die Charaktere als solche ließen mich der Handlung bis zum Ende folgen. Nicht nur der robuste Action-Held Blazkowicz, sondern auch viele Nebencharaktere und vor allem Irene Engel, die als Generalin die Rolle der Antagonistin erfüllt, hat mich überwältigt. Sehr früh gibt es eine Szene im Spiel, in der ich innerhalb wenigen Minuten gleichermaßen von Hass auf die Figur als auch von Faszination über die Erzählweise erfüllt war. Dazu ist die Story voll kleinen Wendungen und Überraschungen – vorhersehbar ist die Geschichte keinesfalls, weswegen ich mich hier auch relativ kurz zur Handlung halten möchte. Zwei kleine Infos aber noch: wer bisher kein Wolfenstein gespielt hat, kommt nicht nur wegen eines Einführungsvideos hervorragend zurecht. Außerdem könnt ihr zwischen zwei verschiedenen Zeitlinien wählen: es gibt zwar gewisse spielerische Unterschiede, diese sind aber in meinen Augen nicht Grund genug, noch ein weiteres Mal in das Abenteuer einzusteigen.
Flottes, actionreiches Gameplay
Doch das Gameplay bietet hierfür schon ausreichend Anreize: vergleichbar mit den Spielen der Doom-Reihe verfügt auch Wolfenstein 2: The New Colossus sehr rasante Shooter-Action. Schon im Rollstuhl zeigt sich Blazkowicz überaus flink, sobald er nach der ersten Spielstunde aber wieder auf den Beinen ist, bewegt er sich noch viel agiler durch die Level. Bewaffnet ist der Protagonist dabei mit einem beachtlichen Waffenarsenal. Neben herkömmlichen Waffen wie einer Pistole, einem Sturmgewehr oder einer Maschinenpistole bieten Laser- und Dieselkraftwerk eine willkommene Alternative. Auf Seiten der Widersacher begegnet ihr natürlich zahlreichen Regime-Angehörigen in unterschiedlichen Positionen, zusätzlich – und hier kommt das Setting wieder ins Spiel – bekommt ihr es mit diversen Kampfmaschinen zu tun. Diese sind unter anderem als Teil einer ganzen Gruppe vorhanden, nehmen aber gelegentlich auch die Rolle eines Zwischenbosses an – und sind dabei gleichermaßen anspruchsvoll wie fair. Wegen des hohen Tempos werdet ihr gelegentlich das Zeitliche segnen, pures Trial and Error wird Wolfenstein 2 aber nicht.
Eure Gesundheit wird während der Gefechte im alten Stile mit Lebenspunkten angezeigt, Regeneration ist nur bedingt möglich. Stattdessen seid ihr auf verschiedene Heilungs-Items angewiesen, zudem könnt ihr euch mit Rüstungsteilen zusätzlichen Schutz verleihen. Schade finde ich, dass Wolfenstein 2 die Möglichkeit verpasst, dem Spieler optisch ein ausreichendes Feedback zu geben, wie es um die Gesundheit steht. Zwar ist ein Bloody-Screen vorhanden, dieser lässt mich aber besonders in den schnellen Gefechten nur schlecht abschätzen, wie viele Schüsse ich noch vor dem nächsten Tod einstecken kann. Dagegen wirkt aber ein weiterer Kritikpunkt: die KI hat mitunter kleinere Aussetzer und wird eher zum Kanonenfutter als zu individuell anspruchsvollen Feinden. Das ist angesichts der schnellen Gefechte nicht immer eine schlechte Sache, stört aber stellenweise die Immersion.
Auf dem Weg zum Action-Held
Überrascht war ich von der Variation, die MachineGames im Levelaufbau ermöglicht hat. Selbstverständlich ist Wolfenstein 2 über weite Strecken sehr linear, einfache Levelschläuche ohne Abwechslung sind aber nicht zu befürchten. Stattdessen gibt es oftmals kleinere Alternativwege und ihr wechselt von großen Hallen über zerstörte Straßen bis hin zu engen U-Bahn-Stationen. Neben dem rabiaten Vorgehen, das ein hektisches Schussgefecht nach dem Nächsten zur Folge hat, fördert das Spiel jedoch auch andere Vorgehensweisen. Ohne wirklich tiefgehende Stealth-Mechaniken einzuführen – das würde Wolfenstein auch unnötig ausbremsen – könnt ihr euch an Feinde anschleichen um diese unbemerkt auszuschalten. Auch die Nutzung der Umgebung ist möglich um etwa große Explosionen herbeizuführen. Wollt ihr großes Gegnervorkommen vermeiden, solltet ihr zudem darauf achten, frühzeitig die Kommandanten auszuschalten, da diese Verstärkung rufen können.
Um später auch mit stärkeren Widersachern mithalten zu können, ist es wichtig, dass ihr zwischendurch auch einen Blick in die möglichen Waffenverbesserungen werft. Hier könnt ihr zum Beispiel euer Sturmgewehr mit einem verbesserten Zielrohr oder einem Doppelmagazin für schnelleres Nachladen ausrüsten. Verpasst ihr hingegen eurer Maschinenpistole einen Schalldämpfer, könnte euch das taktische Vorteile beim Schleichen ermöglichen. Auch einige weitere Fähigkeiten von Blazkowicz können sich im Laufe der Zeit verbessern: aufgeteilt in die drei Kategorien Heimlichkeit, Chaos und Taktik verursacht bestimmtes spielerisches Vorgehen eine Steigerung der Atribute. Genügend Nahkampfexekutionen erhöhen eurer Gesundheitsregeneration, Kills mit dem Wurfkeil lassen euch anschließend zusätzliche Exemplare mit euch herumtragen und findet ihr genügend Enigma-Codes, können fortan die Alarmsignale von Kommandanten verzögert werden.
Mit Extras gefüllt
Wolfenstein 2 bietet auch abseits der unterhaltsamen Hauptstory kleinere Extras. Unter anderem wären hier ein Schießstand-Minispiel, die Möglichkeit einen alten Wolfenstein-Klassiker am Automaten zu spielen und verschiedenste Sammelgegenstände, die euch während eurer Reise in die Finger kommen, zu nennen. Besonders gut haben mir die verschiedenen Schriftstücke gefallen, die überall in der Welt verstreut zu finden sind. Gerade weil Wolfenstein 2 sein Universum nicht ausschließlich durch Texte erzählt, sondern auch durch Zwischensequenzen, subtile Randnotizen oder Blazkowiczs Monologe, konnten die geschriebenen Erzählungen für Abwechslung sorgen. Ob Zeitungsberichte, Tagebucheinträge oder Propaganda-Material – die Autoren bewiesen ein gutes Händchen für interessante und oftmals persönliche Erzählungen.
Dank Details ein echter Hingucker
Grafisch kann Wolfenstein 2: The New Colossus zwar nicht unbedingt mit aktuellen Genre-Highlights wie Battlefield 1 mithalten, dennoch kann der Shooter auch optisch eine vernünftige Figur abliefern. Das liegt vor allem an der sehr authentischen und detailreichen Gestaltung der Schauplätze sowie an der hervorragenden Inszenierung in den Zwischensequenzen. Als ich das erste Mal das zerbombte Manhattan gesehen habe, hatte das schon in gewisser Weise den Effekt eines Fallouts – als ich anschließend einzelne Gebäudefassaden, Inneneinrichtungen oder Geröllhügel sah, die offensichtlich mit einer Menge Feingefühl erstellt worden waren, hatte mich die Optik des Spiels in ihrem Bann.
Und auch von Seiten des Soundtracks wurde hervorragende Arbeit geleistet: besonders in den blutigen, hektischen Gefechten schaffen es die schnellen treibenden Rock-Stücke von Mick Gordon, dem rasanten Spielrausch noch weitere Intensität zu verleihen. Auch an anderen Stellen schafft es die Musik atmosphärisch zu sein und dabei die ganz eigene Wolfenstein-Handschrift zu tragen. Die deutsche Synchronisation ist übrigens auch gelungen: abseits von gelegentlichen Problemen der Lippensynchronität konnten mich die hiesigen Sprecher sehr überzeugen, besonders bei den wichtigen und dialogstarken Charakteren der Geschichte.
Die Sache mit den Nazis…
Kein Wolfenstein-Test ohne die lästige Indizierungs-Thematik. Ich versuche es kurz zu halten: wie ihr im Test möglicherweise bereits gemerkt habt, wurde mehrmals das Wort „Regime“ statt des „dritten Reichs“ verwendet, ebenso ist im Spiel zu keinem Zeitpunkt von Nazis die Rede. Entsprechende Symboliken wurden entfernt oder ersetzt, historische Persönlichkeiten haben ein anderes Aussehen und eine Menge geschichtlicher Bezug geht in der USK-Version verloren. Dass dies der Immersion schadet und in den Augen vieler nicht mehr zeitgemäß ist, sollte inzwischen selbstverständlich sein. An dieser Stelle einen Vortrag über die Wichtigkeit der Videospiele als Kunstform zu halten würde jedoch den Rahmen dieses Tests sprengen und die Thematik zudem nicht sonderlich voranbringen. Fest steht jedoch: auch ohne die ursprünglichen Formulierungen und Darstellungen ist Wolfenstein 2: The New Colossus ein hervorragender Shooter – wer ohne nicht kann, schaut sich ohnehin im Ausland nach Alternativen um.