Releasetermin: 05.11.2015
Medientyp: Blu-ray Disc, Download
Genre: Rennspiel
Entwickler: Ghost Games
Herausgeber: Electronic Arts
Die Need For Speed-Reihe hat schon einige Jahre auf dem Buckel. Von ikonischen Ablegern bis hin zu belanglosen Teilen hat EA mit der Serie schon allerlei Phasen durchlebt. In den letzten Jahren setzt der Publisher-Gigant darauf, alte Erfolge der Reihe neu aufleben zu lassen. Nachdem Hot Pursuit bereits ein Remake spendiert bekommen hat, bedient sich EA für den neusten Teil einmal mehr an Aspekten, die Need For Speed in der Vergangenheit ausgemacht haben. Mit der Implementierung von Tuning-Elementen und verstärktem Fokus auf japanische Wagen versucht das neue Need For Speed von Entwickler Ghost Games, die Stärken von NFS Underground und Co. auf die neuen Konsolen zu holen. Ob dies gelungen ist, finde ich in meinem Test heraus.
Live-Action-Blödsinn
Als talentierter Racer-Neuling machen wir die lokale Untergrund-Szene auf uns aufmerksam. Wir verbringen Zeit mit überspitzten Figuren, gespielt von echten Personen, die uns nicht nur wertvolle Tipps geben, sondern auch unser Potential erkennen, die Legenden der Szene abzulösen. Das ganze Spektakel sehen wir aus First-Person-Perspektive als stummer Charakter an. Die Story hat kaum Tiefgang – schließlich geht es lediglich um den ständigen Aufstieg in der Szene und das Ziel, der beste Fahrer zu sein. Die Schauspieler liefern alberne Vorstellungen ab und dennoch: Mich hat das seltsame Geschehen erstaunlich gut unterhalten. So vorhersehbar die Geschichte ist, so bekloppt die Crew ist, so merkwürdig es ist, als stumme Figur Teil des Wahnsinns zu sein: Die Story bleibt der Serie treu und machte mir den Aufstieg in der virtuellen Untergrund-Racingszene schmackhaft. Ich fühlte mich an die Underground-Teile, Most Wanted oder auch Carbon erinnert, die ähnlich kitschige, aber auf verrückte Weise charmante Handlungen boten. Die Live-Action-Szenen werden sicherlich nicht jedem gefallen. Fans der ganz frühen Teile, welche noch ohne solch einen Schnick-Schnack zu gefallen wussten, werden sich eventuell durch die Zwischensequenzen durchquälen müssen, die leider nicht zu überspringen sind. Wer sich allerdings auf das nicht ernst zu nehmende Schauspiel einlässt, gewinnt der Darstellung vielleicht sogar den einen oder anderen Lacher ab.
Nerviges Handy – nettes Spielkonzept
Werden wir einmal nicht von einem Buddy vollgequatscht, steht die Action auf dem Asphalt natürlich im Vordergrund. Need For Speed ist spierisch grob in fünf Bereiche eingeteilt, die verschiedene Facetten der Racing-Szene darstellen: Speed, Style, Schrauber, Crew und Outlaw. Jedes Element kommt mit eigenen Events daher. Von gewöhnlichen Sprints oder Rundkursen über Drift-Wettbewerben bis hin zu Gruppen-Rennen und erzwungenen Polizeiverfolgungen ist alles dabei, was für abwechslungsreiche Tätigkeiten auf dem Asphalt sorgt. Über ein virtuelles Smartphone werden wir von unseren Bekanntschaften über neue Events informiert, die fortan auf einer übersichtlichen Karte vermerkt sind. Das Handy erfüllt zwar seinen Zweck, nervte mich allerdings auch schnell. All zu oft bimmelt das bescheuerte Ding – unsere Kollegen machen auch während eines wichtigen Rennens nicht Halt davor, uns anzurufen und uns mit etwas Belanglosem zu stören. Eine weniger penetrante Einbindung wäre wünschenswert gewesen. Die Rennen können es durchaus in sich haben, weshalb das aufploppende Handy zum Störfaktor werden kann. Wie so viele Arcade-Racer bleibt auch Need For Speed nicht vom berühmt berüchtigten Gummiband-Effekt verschont. Egal wie groß der Abstand zum Zweiten im einem Moment noch sein mag – im nächsten schon kommt er mit unglaublicher Geschwindigkeit angeschossen, fast wie von einem Gummiband zurückgeschleudert. Einerseits bleibt uns trotz Rückstand dadurch jederzeit das Potential gegeben, das Rennen noch zu gewinnen. Andererseits werden kleine Fehler im letzten Drittel des Events durch unnatürlich schnelle Mitstreiter knallhart bestraft, was in Frust enden kann.
Online-Zwang trübt den Spaß
Nicht nur in den Events, sondern auch abseits gibt es in Need For Speed viel zu tun. Wir finden uns in der Fiktionsstadt Ventura Bay wieder, die einen riesigen Sandkasten darstellt – die Spielwelt ist rund doppelt so groß wie noch im Vorgänger Rivals. Allerlei Aktionen füllen unsere Erfahrung und Reputation auf: Höchstgeschwindigkeiten tragen zum Erfolg in der Speed-Sparte bei, gelungene Drifts füllen die Style-Abteilung auf, blinde Zerstörungswut in Form von überfahrenen Ampeln oder Parkbänken liefert Punkte für den Outlaw-Zweig. Sowohl die Events als auch die nebensächlichen Verdienstmöglichkeiten gestalten das Spielgeschehen abwechslungsreich und motivierend. Weiterhin sind in der offenen Welt Sammelobjekte in Form von Autoteilen, Aussichtspunkten und Donut-Orten verteilt. Und nein, ich rede nicht vom süßen Teig mit Loch in der Mitte, sondern von einer Drehung des Autos um 360 Grad mit qualmenden Reifen, die an solchen Orten belohnt wird. Für genügend Spielzeit ist also gesorgt, doch wollte EA noch einen drauf legen. Die im Vorgänger etablierten Autolog-Funktionen sind einmal mehr implementiert. Bis zu sieben Online-Fahrer können unserer Sitzung beitreten und in unserer Action mitmischen. Es ist durchaus ein großer Spaß, in der offenen Welt einen Online-Spieler zu entdecken und ihn prompt zum Rennen herauszufordern. Dass diese Funktion aber auf Kosten eines Online-Zwangs kommt, gefällt mir nicht. Toll, dass Spieler jederzeit Schnappschüsse ihrer Wagen machen können und sogar mit InGame-Geld belohnt werden, wenn Mitspieler diese Bilder „liken“. Die ständige Online-Anbindung macht durchaus nette Spielereien möglich. Blöd nur, dass dadurch beispielsweise auch die Möglichkeit zum Pausieren des Spiels wegfällt. Mitten in einem hitzigen Kopf-an-Kopf-Rennen oder einer lang andauernden Polizeiverfolgung und die Blase drückt? Dann ist Geduld angesagt, bis die entsprechende Aktion beendet wurde, denn Online lässt sich nicht mal schnell pausieren. Wir kommen nicht einmal über die Titelanzeige hinaus, wenn keine Verbindung zu den EA-Servern besteht. Bei Ausfall der Server können Spieler demnach auch nicht die virtuelle Stadt besuchen. Ich bin absolut kein Fan solch eines Konzepts und hoffe, dass der Nachfolger diese Idee noch einmal überdenkt.
Endlich wieder tunen!
Trotz Online-Zwang überzeugen also Umfang und Tätigkeiten, doch wie fallen eigentlich die Fahrmechaniken aus, die in einem Rennspiel mit das wichtigste sind? Bei einem Need For Speed wird es kaum einen wundern, dass das System voll auf die Arcade-Schiene setzt. Realismus im Kurven- oder Bremsverhalten ist hier keineswegs gegeben, vielmehr zelebriert der Titel den leicht zugänglichen Spaß am Geschwindigkeitsrausch. Wer Probleme mit der gelegentlich schwammigen Steuerung hat, macht sich das Tuning-Feature zu Nutzen, das sich viel Fans erneut für die Serie gewünscht haben. Das Fahrverhalten kann überarbeitet werden und so lässt sich eine noch stärker Drift-orientierte Fahrweise einstellen oder aber die Bodenhaftung der Vehikel verstärken. Wer mit den Einstellungsmöglichkeiten experimentiert, findet sicherlich eine bevorzugte Option. Das Tuning bringt jedoch noch mehr Aspekte mit sich. Nach und nach werden neue Teile freigeschaltet, die entweder die Optik eines Wagens verändern oder die Leistung beeinflussen. Mit Lackierungen und Decal-Aufklebern kann der Fuhrpark leicht personalisiert werden. Auch lassen sich aus den Wagen deutlich mehr Pferdestärken herausholen. Selbst billige Karossen werden mit dem nötigen Kleingeld zu regelrechten PS-Monstern. Da ich kein Fan davon bin, mir jede Stunde ein neues Auto kaufen zu müssen, um mit meinem Gegnern mithalten zu können, hat mich diese Tatsache sehr gefreut. Die Tuning-Möglichkeiten werden das Genre kaum revolutionieren, doch haben mich die verfügbaren Optionen absolut zufrieden gestellt. Immer weniger Rennspiele machen solch eine tiefgehende Personalisierung möglich, weshalb das Tuning durchaus eine große Stärke des Spiels darstellt.
Effekte im Überfluß – gelegentlich Top-Grafik
Grafisch denke ich zwiegespalten über den neuen Racer von EA. Zwar sieht das Spektakel auf dem Asphalt hin und wieder fantastisch aus, doch wird hier an jeder Ecke und Kante getrickst. Die Entwickler gehen mit der Optik in Richtung Realismus. Detaillierte Wagenmodelle tragen bei diesem Vorhaben sehr gut bei. In den Live-Action-Szenen ist gelegentlich unser aktuelles Fahrzeug zu sehen, das in Spielgrafik gerendert gezeigt wird – und oft erst auf dem zweiten Blick auch als virtuelles Objekt erkannt wird. Auf dem Asphalt hingegen stören mich allerlei Effekte, die eine realistische Darstellung vorgaukeln wollen. Ein Filmkörnungs-Filter, Chromatic Aberration, Motion Blur und Lense Flares im Überfluss verschleiern gelegentlich gut, dass wir es hier mit einem Videospiel zu tun haben. In all den anderen Momenten, in denen die Beleuchtung doch nicht so passt wie sie soll, habe ich persönlich mich an den vielen Effekten gestört. Diese Empfindung ist natürlich subjektiv, doch würde es mich nicht wundern, wenn ich mit meiner Meinung nicht alleine dastehe. Zudem ist mir aufgefallen, dass in der Spielwelt erstaunlich wenig Verkehr unterwegs ist, was wohl an technischen Restriktionen liegt und den Schauplatz ab und zu zur langweiligen Geisterstadt macht. Ich will die tolle Grafik keineswegs schlecht reden, denn gelegentlich schaut Need For Speed fantastisch aus. Mir stellt sich nur die Frage, ob weniger Post FX Effekte nicht mehr gewesen wären. Der Titel läuft mit 30 Frames pro Sekunde, die weitestgehend stabil gehalten werden können. Während der Fahrt in Ventura Bay dröhnt ein lizenzierter Soundtrack über die Boxen. Die Songauswahl ist stark von der elektronischen Szene geprägt und liefert mit Elektro-House, Trap und Drum’n’Bass eine passende musikalische Untermalung ab. Auch rockige Klänge sind vertreten, doch präsentieren diese sich in der Unterzahl. Mir hat der Soundtrack gut gefallen, die bassbetonte Musik harmoniert gut mit den soliden Geräuschen der schnellen Boliden.
Fazit
Nach einem Jahr Pause kann EA durchaus Erfolge mit dem neusten Ableger der beliebten Rennspielserie feiern. Need For Speed hat eine spaßige Spielwelt, ein motivierendes Fortschrittssystem und einen überzeugenden Umfang. Mit dem Tuning-Aspekt setzt sich der Titel von vielen Genre-Vertretern ab. Die alberne Story wird sicherlich einigen sauer aufstoßen, doch fühlte ich mich als Fan der Underground-Teile und des ursprünglichen Most Wanted von den überspitzten Figuren tatsächlich sogar gut unterhalten. Mit dem andauernden Problem der Gummiband-KI und der Implementierung eines Online-Zwangs macht sich das Reboot allerdings keine Freunde. Dennoch ist der Ableger gelungen und geht in die richtige Richtung: Ich bin gespannt, was die Zukunft für die Serie bereit hält.
Fünf Spielweisen bringen viele Tätigkeiten und großen Umfang mit
Klassisches Arcade-Fahrgefühl mit Anpassungsmöglichkeiten Leistungstuning und visuelle Veränderungen sind solide Nette Grafik, passender Soundtrack |
Always Online NERVT
Smartphone-Einbindung stört Gummiband-KI kann frustrieren |
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