Releasetermin: 25.09.2018
Medientyp: Disk/Modul, Download
Genre: Taktik-RPG, Third-Person-Shooter
Entwickler: Sega
Herausgeber: Sega
Vor rund zehn Jahren erschien auf der PS3 ein Spiel, das zu meinen Lieblingstiteln der Konsolengeneration gehören sollte. Ich hatte viel Spaß mit dem hübschen Taktik-Shooter Valkyria Chronicles und legte mir gar in 2014 den PC-Port und vorletztes Jahr auch das PS4-Remaster zu. In der Zwischenzeit sind zwei weitere Teile herausgekommen. Valkyria Chronicles 2 und 3 erschienen exklusiv für die PSP, während es Teil 3 gar nie offiziell in den Westen geschafft hat. Daher hatte ich keine große Hoffnung, irgendwann noch einen Nachfolger zu spielen. Die Ankündigung des Ablegers Valkyria Chronicles: Revolution stimmte mich positiv, doch leider kam dabei kein wirklich gutes Spiel heraus.
Umso mehr freute ich mich darüber, dass mit Valkyria Chronicles 4 dann doch ein waschechter Nachfolger enthüllt wurde, der auch im Westen auf PS4, Xbox One, Switch und PC erscheinen würde. Der Taktik-RPG-Titel ist nun verfügbar und ich habe auf der Switch bereits viele Stunden gespielt. Hat sich meine jahrelange Vorfreude bezahlt gemacht oder gab es für mich wieder eine Enttäuschung wie mit dem durchwachsenen Ableger Revolution?
Parallelgeschichte im fiktiven Europäischen Krieg
Die Ereignisse von Valkyria Chronicles 4 sind im Zeitalter des Zweiten Europäischen Krieges angesiedelt. Serienfans werden bemerken, dass auch der erste Teil schon diesen fiktiven Krieg thematisiert hat. Tatsächlich überschneiden sich die Handlungen zeitlich, wir bekommen hier jedoch eine eigenständige Parallelgeschichte erzählt. Vorkenntnisse sind nicht notwendig, da das Spiel die Ausgangslage ausführlich erklärt. Die Geschichte dreht sich um Truppe E, die aus Elite-Söldnern der Föderation besteht. Spieler bekommen den Protagonisten Claude Wallace vorgestellt, der zuständig für seine Kameraden ist. Auch wenn Truppe E zahlreiche Soldaten umfasst, mit denen wir in den Kampf ziehen können, werden in der Story nur eine Handvoll Charaktere eingebunden.
Primär erfahren wir anfangs mehr über Claude und seine engen Kindheitsfreunde Raz, Kai, Miles und Riley. Über Rückblenden lernen wir die Figuren besser kennen und erfahren, wie Squad E zu dem angesehenen Trupp wurde, das es zum Zeitpunkt der Geschichte bereits ist. Im Laufe der Handlung stoßen jedoch auch immer wieder neue relevante Charaktere dazu. Neben dem regelmäßigen Blick in die Vergangenheit steht insbesondere im Vordergrund, wie die Figuren mit den Rückschlägen des Krieges zurecht kommen. Der Verlust von Soldaten wird ebenso behandelt wie Claudes Probleme, manch fragwürdige Befehle zu verstehen und auszuüben. Der Krieg ist eine furchtbare Zeit, was Valkyria Chronicles 4 phasenweise erstaunlich gut rüberbringt.
Tolle Figuren, nette Präsentation und teils fragwürdiger Humor
Die vielen gelungenen Momente, in dem das Spiel diese Thematik ernst angeht, wurden für mich leider etwas abgeschwächt durch die ein oder andere ulkige Szene. Es werden einige Anime-Klischees erfüllt, was mich total aus der Handlung gerissen hat. Ich finde es prinzipiell nicht schlecht, einen Spagat aus Verzweiflung und positiver Hoffnung vermitteln zu wollen. Gelegentlich aber schießt das Spiel über sein Ziel hinaus und präsentiert total bekloppte Szenen mit fragwürdigem Humor. Insgesamt aber hat die Handlung einen guten Eindruck hinterlassen, was insbesondere an den Figuren liegt. Durch die Nutzung von Rückblenden erfahren wir viel über die Charaktere, die allesamt mit ihren eigenen Problemen aus der Vergangenheit zu kämpfen haben. Es gab quasi keine Figur, die mir im Laufe der Handlung nicht sympathisch wurde und ich hoffte stets, dass der Trupp seine Ziele ohne Verluste bestehen würde.
Der Titel hat ein interessantes Konzept, sein Geschehen zu präsentieren. Die Handlung wird mit Hilfe eines Buches erzählt. In verschiedene Kapitel unterteilt, lassen sich hier sowohl die Zwischensequenzen und Dialoge als auch die Story-Schlachten anwählen. Ebenso gibt es im Buch zusätzliche Kapitel für die Truppgeschichten, die sämtliche Figuren beleuchten, oder die Scharmützel, die quasi Bonus-Kämpfe darstellen. Während diese Präsentation optisch sehr toll gelungen ist, hat mich in der Story etwas gestört, dass ich alle paar Minuten einen neuen Clip anwählen musste. Teils dauert ein Handlungspunkt nur etwa zwei Minuten, anschließend wird die nächste Sequenz freigeschaltet, die man wiederum manuell starten muss. Ich hätte es besser gefunden, wenn die Szenen einfach chronologisch ablaufen würden, ohne dass ich stets die einzelnen Episoden abspielen muss.
Auch das Pacing fällt nicht ideal aus. Es kommt vor, dass wir auch mal eine halbe Stunde lang damit beschäftigt sind, uns Story- und Nebeninhalte anzuschauen. Häufig juckt es mir nach wenigen Minuten schon in den Fingern und ich will in die nächste Schlacht ziehen. Da die Kämpfe gut und gerne auch mal 30 bis 60 Minuten dauern, ist man zeitlich allerdings wohl ähnlich lange mit den Kämpfen beschäftigt wie mit dem Zwischensequenzen und Dialogen.
Spielerisch Vieles beim Alten
Die Gefechte von Valkyria Chronicles 4 haben sich im Vergleich zum ersten Spiel nur geringfügig verändert. Grundsätzlich ist Alles beim Alten geblieben. Vor dem Einsatz sehen wir eine Karte des Kampfareals und erhalten erste Informationen über die Situation. Häufig wird von uns gefordert, eine gegnerische Basis bzw. mehrere Basen einzunehmen. Das Spiel bietet regelmäßig aber auch anderen Missionen, so zum Beispiel Aufklärungs- und Rettungseinsätze. Mit dem Wissen über den Einsatz müssen Spieler anschließend einen Trupp zusammenstellen. Wie erwähnt stehen weitaus mehr Soldaten zur Verfügung, als in der Story thematisiert werden. Zudem kommen nach erfolgreichen Missionen immer wieder neue Rekruten dazu.
Die Charaktere haben unterschiedliche Klassen, die allesamt Vor- und Nachteile in den Gefechten haben. Es lohnt sich also, die Auswahl anhand der Situation zu treffen. Erwarten wir beispielsweise mehrere Panzer in den Gegnerreihen, ist es sinnvoll, neben dem eigenen Panzer auch einen oder mehrere Lanciere im Aufgebot zu haben, deren Waffen besonders effektiv gegen gepanzerte Fahrzeuge sind. In diesem Sinne muss man stets abwägen, welche Figurenklassen sich am besten eignen.
Dynamisches Vorgehen erwünscht
Sobald man sich positioniert hat, findet man sich auf der Karte an den Startpositionen wieder. Die Kämpfe finden rundenbasiert statt. Sowohl dem Spieler als auch dem Gegner stehen pro Runde eine bestimmte Anzahl an “KP” bereit, die bestimmen, wie häufig wir die Mitglieder des Trupps befehligen können. Pro KP kann eine Einheit eingesetzt werden. Wir können auch dieselbe Einheit mehrfach in einer Runde agieren lassen. Hier kommen aber die AP zum Zuge, die eine Art Ausdauer darstellen.
Jede Figur kann nur begrenzt weit laufen, was durch die AP-Leiste verbildlicht wird. Wählt man nach einem erfolgten Manöver dieselbe Figur aus, hat man nur noch rund zwei Drittel der Leiste zur Verfügung, beim dritten Mal noch weniger. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass man sich möglichst nicht auf ein und dieselbe Figur verlässt und diese ständig steuert. Dazu kommt, dass bestimmte Klassen in jeder Runde nur begrenzte Munition haben. Daher sollte man sich gleich zu Beginn angewöhnen, mit möglichst vielen Figuren und somit möglichst effektiv zu spielen.
Spaßiges Schusswechselsystem mit gelegentlichem RNG-Frust
Übernimmt man die Kontrolle über eine Einheit, steuert man diese in Third-Person-Sicht. Jede Klasse hat eine unterschiedliche Waffenart, zudem verfügen die meisten Figuren über “Ragnaid”, was zur Heilung dient. Ebenfalls haben einige Klassen auch Granaten in petto. In jedem Zug können wir unsere AP zum Laufen aufbrauchen und genau ein Manöver ausführen. Dies kann entweder das Abfeuern der Waffe, das Werfen einer Granate oder die Nutzung des Heilmittels sein. Je nach Klasse ist u. A. auch eine Fahrzeug-Reparatur oder Wiederbelebung möglich. Ist ein Feind in Sicht, lässt sich dieser mit einer Schusswaffe anvisieren. Sobald wir auf ihn zielen, sehen wir, wie viele Treffer an der jeweiligen Stelle notwendig sind, um den Gegner zur Strecke zu bringen. Ein Kopfschuss ist für gewöhnlich effektiver, hat aber auch eine höhere Fehlschussquote.
In diesem Aspekt spielt sich der Titel ähnlich wie die XCOM-Reihe. Man zielt und betätigt den Abschuss, woraufhin die Schüsse automatisch vom Spiel vorgenommen werden. Die Treffsicherheit hängt dabei von der Entfernung, von der Position des Gegners (geduckt, in Deckung), von der Waffe und der Charakterklasse ab. Dieses System macht mir grundsätzlich großen Spaß, kommt aber auch mit einem Nachteil daher. Selbst aus einem Meter Entfernung können unsere Schüsse verfehlen, da letztendlich ein Algorithmus über Erfolg bestimmt und man mit Pech eben nicht trifft. Dies kann gelegentlich unglaublich frustrierend sein. Man muss schlichtweg gefasst darauf sein, dass bei jedem Schuss die Wahrscheinlichkeit besteht, das Ziel zu verfehlen.
Eine gute Positionierung ist schon die halbe Miete
Auf dem Schlachtfeld spielt die Positionierung der Figuren eine immense Rolle. Lassen wir einen Charakter offen im Feld stehen, kann dieser schnell ins virtuelle Gras beißen. Damit das nicht passiert, bietet es sich an, bei jeder Gelegenheit Deckung hinter Sandsäcken zu nehmen. Außerdem lohnt es sich, stets mehrere Figuren auf einem Fleck zu haben, was gut durch die „Kommando“-Funktion zu realisieren ist, mit der eine Figur für einen Zug mehrere Charaktere um sich schart. Zum einen reagieren alle Soldaten in der Nähe auch in der gegnerischen Runde mit einigen Schüssen, sobald ein Feind unmittelbar vor ihrer Flinte auftaucht. Daher kann es passieren, dass ein Charakter durch clever positionierte Figurengruppen K.O. geht, noch bevor er ein Manöver ausführt. Zum anderen etabliert Valkyria Chronicles 4 eine Art Sympathiesystem. Die Charaktere haben jeweils bis zu drei Figuren, die sie “mögen”. Befinden sie sich in deren Nähe, werden Boni gewährt und Kooperationsangriffe initiiert. Es ist also zu empfehlen, bereits bei der Planung der Truppe darauf zu achten, ob die Soldaten quasi kompatibel zueinander sind.
Das Geschehen spielt sich genauso solide wie schon im ersten Spiel der Reihe. Allzu viele Änderungen gibt es nicht, was manche enttäuschen mag. Ich fand das Gameplay aber schon damals super, weshalb ich persönlich die fehlende Innovation nicht zwingend vermisst habe. Die Schlachten sind sehr clever aufgemacht und überzeugen mit einem Kartendesign, das viele spannende Gefechte möglich macht. Die Missionen sind sowohl auf die Panzerschlachten als auch den Infanteriekrieg toll ausgelegt. Der direkte Weg quer über die Karte ist oftmals der falsche Ansatz, weshalb man durchaus auch mal sein Köpfchen anstrengen muss, um eine funktionierende Strategie zu finden.
Anfangs sind die Gefechte eher simpel gestaltet, werden nach einigen Spielstunden aber angenehm herausfordernd. Insbesondere wer in den Kämpfen die besten Medaillen erreichen möchte, muss sich jedes Mal aufs Neue etwas einfallen lassen. Kümmert man sich nicht um seine Kameraden, die auf dem Schlachtfeld gefallen sind, können sie final sterben und stehen dann schlichtweg nicht mehr zur Verfügung. Man sollte also aufpassen, doch zum Glück spielt sich valkyria Chronicles 4 nicht unfair.
Großer Umfang dank zusätzlicher Rückblenden und Bonus-Schlachten
Auch wenn die Missionen zumeist sehr ähnlich aufgebaut sind, ist durch die tollen Areale und das wechselnde Feindesaufgebot dennoch viel Abwechslung für viele Stunden gegeben. Durch Kämpfe der Story, die Truppgeschichten und zusätzliche Scharmützel ist man weit über 50 Stunden mit dem Spiel beschäftigt. Einige Zeit davon verbringt man auch im Hauptquartier, das als eine Art Basis fungiert. Hier lassen sich die verschiedenen Klassen durch verdiente Erfahrungspunkte aufstufen. Mir gefällt besonders, dass die Figuren nicht einzeln leveln, sondern ich sie klassenweise aufwerten kann. Im Hauptquartier kann außerdem das Figurenaufgebot verwaltet werden. Regelmäßig stoßen neue Rekruten hinzu, die oftmals bessere Werte bzw. neue Beziehungen mitbringen. Auch die Ausrüstung der Soldaten lässt sich ändern, die beispielsweise in Kämpfen als Belohnung vergeben wird.
In den Gefechten erhalten wir außerdem so genannte Dukaten (DKT), mit denen man Waffenverbesserungen und neue Panzerteile freischaltet. Ebenfalls lässt sich hier das “Potenzial” der Figuren verwalten. Jeder Charakter hat bis zu vier Potenziale, die Vorteile oder Nachteile im Kampf gewähren. Die Bedingungen für den Eintritt variieren. So gibt es Figuren, die besonders schüchtern sind und in Anwesenheit anderer Figuren an Treffgenauigkeit verlieren. Viele positive Beispiele gibt es auch. Mir hat die Idee gut gefallen, jedoch bin ich der Meinung, dass die Potenziale in kaum einem Fall wirklich den Unterschied ausgemacht haben. Nach einiger Zeit habe ich dieses System daher etwas vernachlässigt und bin auch so gut durchs Spiel gekommen.
Kreative Grafik mit kleineren Schwächen auf der Switch
Schon Teil 1 bot eine interessante Grafik, die Cel-Shading mit einer Art Wasserfarben-Effekt präsentierte. Valkyria Chronicles 4 kommt mit demselben besonderen Stil daher, der auch heute noch klasse aussieht. Die Figuren haben einen höheren Detailgrad, auf den Schlachtfeldern ist mehr los, Effekte wie Nebel und Regen sind kreativ umgesetzt. In Kombination mit der Buch-Darstellung als Menü hat mir die Grafik wirklich gefallen. Ich habe auf der Nintendo Switch gespielt, auf der das Spiel auch eine gute Figur abgibt. Die Bildqualität mag nicht so gut sein wie auf anderen Plattformen. Da man den Titel jedoch unterwegs spielen kann, habe ich diese grafischen Einbußen gerne hingenommen. Eher hat mich gestört, dass die Framerate in hitzigen Gefechten gerne mal in die Knie geht. Allen voran aufwendige Effekte wie besagter Nebel bringen die Switch an ihre Grenzen. Die Einbrüche der Bildrate sind nervig, letzten Endes aber auch verkraftbar, da sie nicht allzu häufig auftreten.
Tolle englische Sprecher und ein fantastischer Soundtrack
Ebenfalls im ersten Teil schon gelungen war die Sound-Umsetzung, die auch hier wieder voll auftrumpft. Die englischen Sprecher machen einen tollen Job und passen perfekt zu den Charakteren. Insbesondere möchte ich aber den Soundtrack hervorheben, der das Kriegsgeschehen mit stimmigen Klängen untermalt. Ich habe auf der Switch häufig mit Kopfhörern gespielt, wobei mir die Lieder immer wieder sehr positiv aufgefallen sind.