Wenn das Spielen auf der gamescom 2016 zur Nebensache wird

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Jedes Jahr aufs Neue lockt die deutsche Videospiel- und Entertainmentmesse gamescom hunderttausende Spieler nach Köln. Neue Titel, die teilweise erst im nächsten Jahr erscheinen, können hier exklusiv vom Konsumenten angespielt werden. Gerade neue IPs wie Ubisofts For Honor eignen sich perfekt für eine Hands-On-Session, schließlich interessiert es den Verbraucher, ob das Gameplay überhaupt für einen persönlich geeignet ist. Die gamescom ist daher nicht unentscheidend für die Kaufentscheidung der Spieler. Genauso beeindrucken jedes Jahr die ellenlangen Schlangen vor FIFA, bei denen Fans der Reihe die neusten Detailänderungen einem Test unterziehen, um zu schauen, inwiefern sich diese Feinheiten auf das Spielgefühl auswirken. Und die Liste an Spielen, die auf der gamescom 2016 vertreten waren, war lang und mit etlichen Hochkarätern bestückt. Doch wer denkt, dass auch alle Spiele anspielbar waren, liegt leider sehr falsch.

Entwickler versprechen Features und Verbesserungen

Unglücklicherweise setzte sich dieses Jahr nämlich ein Trend fort, der die gamescom meiner Meinung nach in eine ganz falsche Richtung lenkt. In der Realität waren nämlich der Großteil der absoluten gamescom-Highlights lediglich in Form von Präsentationen oder Live-Gameplays vor Ort, nicht aber als übliche Hands-On-Sessions. Und das wäre ja noch vertretbar, würde man hier zumindest exklusive, neue Inhalte präsentiert bekommen. Oftmals handelte es sich aber um Spielszenen, die zwei Monate zuvor bereits in einem E3-Trailer gezeigt wurden, oder aber es sind Trailer, bei denen ihr euch zwei Stunden anstellt um Material gezeigt zu bekommen, dass wenige Stunden später sowieso auf Youtube landet.

Wofür lohnen sich solche Präsentationen überhaupt? So habe ich mich beispielsweise in ein 100-Mann-Kino am Ubisoft-Stand gesetzt, da den Spielern dort Watch Dogs 2 vorgestellt wurde. Hier spielte eine Person einen Abschnitt aus dem neuen Open-World-Spiel, während ein PR-Mensch das ganze Geschehen kommentierte. So wurde uns Zuschauern beispielsweise versichert, dass man auf die Kritik an der Fahrphysik des Vorgängers gehört hat. Dieses würde jetzt “wesentlich mehr Spaß machen”. Da das Spiel live vor meinen Augen gespielt wurde, sind natürlich Fehler nicht auszuschließen. Aber dass die spielende Person quasi direkt im Anschluss an diese Aussage in einer Kurve Schwierigkeiten zu haben scheint und in nebenstehende Autos hineinraste war dann doch sehr ironisch. Wieso lässt man nicht gerade bei einem Spiel wie Watch Dogs 2 die Spieler selbst Hand anlegen um ein Gefühl für das neue Fahrsystem zu bekommen? Auch versicherte uns der Kommentator, man hätte in den Missionen nun NOCH mehr Möglichkeiten als schon beim Vorgänger. Man könnte jetzt das Auto hacken oder aber den Hund betäuben. Auch mit der Drone könnte man das Gebiet überfliegen um sich zunächst einen Überblick zu verschaffen. Ob schleichend oder in Rambo-Manier vorgehen – dem Spieler seien in Watch Dogs 2 keine Grenzen im Vorgehen gesetzt. Und wieso gibt man dem Spieler dann nicht die Möglichkeit, die Mission auf seine eigene Weise zu bewältigen?

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Angst vor der Konkurrenz?

Sehr enttäuscht war ich auch bei Call of Duty: Infinite Warfare. Kein Teil der Serie stand schon vor der Veröffentlichung mehr in der Kritik, als der neuste Streich von Infinity Ward. Die Spieler fiebern lieber einem „bodenständigen“ Battlefield 1 im Erstweltkriegsszenario entgegen, als einem futuristischen Call of Duty, das sich mit jedem Teil einmal mehr versucht durch noch mehr Action-Bombast zu überbieten. Gerade die gamescom wäre doch der perfekte Ort, Kritiker eines besseren zu belehren. Doch auch hier bekommen wir nur eine Trailer-Aneinanderreihung geboten, die uns einen kleinen Einblick in die Story-Kampagne verschafft. Und ich muss zugeben: Inszenatorisch war das gezeigte gar nicht schlecht. Eine bedrückende Soundkulisse aus zischenden Stromleitungen und Systemgeräuschen erzeugte gepaart mit dem Nebel, der die Weltraumstation durchzog, eine sehr dichte Atmosphäre. Doch genau in dem Moment, wo es zum ersten Schusswechsel gekommen wär und man das eigentliche Gameplay gesehen hätte, wird die Perspektive gewechselt und man erlebt es nicht mehr aus der Ego-Sicht. Hat man hier einfach zu viel Angst vor der sehr starken, direkten Konkurrenz in Form von Titanfall 2 & Battlefield 1? Es ist einfach schade das nicht einmal ein Spiel wie Call of Duty, das weniger durch seine Erzählweise oder Charakterentfaltung, sondern viel mehr über die spielerischen Aspekte zu überzeugen weiß, anspielbar ist. So bleibt für mich nach der Messe nur das unglaublich starke Titanfall 2 in Erinnerung.

Fehlende Transparenz bei den großen Publishern

Und als ich am Messe-Freitag am Bethesda-Stand vorbeigegangen bin und gesehen habe, wie lang die Schlange für die Dishonored-Präsentation ist, habe ich mich ernsthaft gefragt ob die Leute in der Schlange eigentlich wissen, dass sie gleich nur kommentierte Spielszenen vorgesetzt bekommen. Während bei Sony oder Ubisoft zumindest klar ersichtlich war, dass man hier nur Videomaterial zu erwarten hat, war bei vielen anderen Ständen nicht eindeutig ausgeschildert, was die Leute in der Warteschlange schlussendlich erwartet. Die Story-Mission, die mir bei Dishonored vorgestellt wurde, sah zwar durchaus spaßig aus, doch stellte sich mir hier die Frage, wieso man mich auch hier nicht selbst an den Controller lässt. Bis zum Release von Dishonored 2 sind es nur noch etwa drei Monate, weshalb sich das Spiel schon in einem recht finalen Zustand befinden sollte. Dass uns nachfolgend bei Prey auch nur Videos gezeigt wurden, ist ja vollkommen verständlich. Hier haben wir noch keinen genauen Release, vermutlich wird das Spiel erst gegen Ende des nächsten Jahres erscheinen. Hier ist man noch nicht so weit in der Entwicklung und möchte Spieler vielleicht noch nicht an ein Spiel lassen, dass spielerisch noch mit einigen Fehlern zu kämpfen hat. Bei Dishonored 2 hatte das Ganze aber einen sehr faden Beigeschmack.

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Selbiges gilt auch für Ghost Recon: Wildlands oder das heiß erwartete Mafia III. Selbst von den großen PS4-First-Party-Titeln war nur Gran Turismo anspielbar, Days Gone, Detroit: Become Human und Horizon: Zero Dawn wurden lediglich vorgestellt. Die Spiele, bei denen ich mich persönlich am ehesten über eine Hands-On-Session gefreut hätte, waren also allesamt nicht anspielbar. Und die Präsentationen waren meist einfach nur starre Filmchen und auswendig gelernte Kommentare, nichts was man sich nach stundenlanger Anstehzeit für diese Spiele erhoffen würde. Wieso nicht wenigstens eine anschließende Frage-Antwort-Runde eröffnen? Nach Feedback fragen? Oder einen ganz anderen Ansatz verfolgen und Einblicke in den Entwicklungsprozess bieten? Wenn man sich abseits von den AAA-Titeln in Halle 10.1 ein paar Indie-Titeln gewidmet hat, waren oftmals die echten Entwickler vor Ort und für Gespräche jederzeit offen. Sie gestanden sich Fehler ein, erklärten Probleme die noch vor der Bewältigung stehen und gaben offen an, woher sie ihre Inspirationen für ihr Spiel gezogen haben. Diese Transparenz wird nicht einmal bei den Kino-Besuchen der großen Publisher Ubisoft, 2K oder Activision geboten. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich dieser Trend weg von Hands-On-Sessions hin zu Präsentationen nicht fortsetzt, da so in meinen Augen ein Großteil der Faszination für die gamescom verloren geht. Und selbst wenn man ein Spiel noch nicht in die Hand der Konsumenten geben möchte, weil man etwa noch zu früh in der Entwicklung steckt, sollte man sich zumindest bemühen der langen Wartezeit, die von Fans teilweise in Kauf genommen wird, gerecht zu werden.

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