Releasetermin: 27.09.2018
Medientyp: Download
Genre: Adventure
Entwickler: Dontnod Entertainment
Herausgeber: Square Enix
Life is Strange ist zurück! Nachdem Deck Nine Games letztes Jahr mit Before the Storm ein mehr als würdiges Prequel zum Adventure veröffentlicht hat, übernimmt beim neusten Titel wieder Dontnod Entertainment das Steuer. Wie schon seine beiden Vorgänger wird auch Life is Strange 2 wieder in Form einzelner Episoden erscheinen. Life is Strange 2 – Episode 1: Roads stellt den Auftakt der fünfteiligen Serie dar – ob die Adventure-Fortsetzung in den ersten Stunden schon an die Faszination der erfolgreichen Vorläufer heranreicht, kläre ich im folgenden Test.
Zwei ganz normale Brüder
Eine nahtlose Verknüpfung zu Max Caulfield, Chloe Price und den unerklärlichen Ereignissen in Arcadia Bay solltet ihr in Life is Strange 2 nicht erwarten. Stattdessen wagt Dontnod Entertainment den wichtigen Neuanfang und erzählt die brandneue Geschichte der Brüder Sean und Daniel Diaz. Und diese beginnt denkbar unbeschwert: Sean führt das stinknormale Leben eines pubertären Jugendlichen und bereitet sich für eine Halloween-Party am Abend vor. Noch drehen sich seine Sorgen nur darum, einen coolen Anmachspruch für seinen Schwarm zu finden und von seinem Vater noch ein bisschen Geld für Alkohol und Snacks zu ergattern. In diesem noch sehr sicheren Umfeld lernen wir seinen nervigen kleinen Bruder Daniel sowie seinen sympathischen Vater Esteban kennen und erahnen schon, dass Sean vielleicht auch für seine beste Freundin, Lyla, mehr empfindet als er sich eingestehen möchte. Ganz nach dem Vorbild seiner Vorgänger erkundet der Spieler das Zuhause, interagiert mit Gegenständen in der Umgebung und nutzt Dialogoptionen, die der Handlung geringfügige Auswirkungen verpassen.
Doch nach einer knappen halben Stunde kippt die Stimmung und lässt den Spieler mit offenem Mund zurück. Vor dem Haus spielt sich eine Situation ab, es wird hektisch, unübersichtlich und vor allem unerklärlich. Nach wenigen Momenten ist für Sean klar, dass er mit Daniel aus seiner Heimat in Seattle fliehen muss. Seine alten Probleme wirken plötzlich so klein, als es auf der Flucht bereits schwierig wird, überhaupt einen Schlafplatz und genügend Nahrung zu finden. Auch Life is Strange 2 erzählt somit wieder eine Coming-of-Age-Geschichte, wählt aber einen ganz anderen Ansatz als Life is Strange oder Before the Storm. Sean bekommt es mit plötzlicher Verantwortung zu tun und wird, während er sich um seinen Bruder kümmert, vor etliche moralische Zwiespälte gestellt. Bestehle ich die Reisenden, damit Daniel etwas zu essen hat? Begegne ich fremden Personen ehrlich oder lüge ich, um mich selbst zu schützen?
Im Geiste in Arcadia Bay
Das Faszinierende an Life is Strange 2: Dieselbe Magie, die schon die letzten Abenteuern von Dontnod und Deck Nine so besonders gemacht hat, ist auch im Nachfolger wieder ab der ersten Sekunde zu spüren. Der einprägsame Comic-Grafikstil, der in märchenhafte Farben getaucht wird, kehrt ebenso wie der melancholische Soundtrack zurück. Doch alles wirkt in der Präsentation und Regie etwas aufwändiger und polierter als zuvor, auch wenn die ein oder andere Animation immer noch etwas hakelig ist. Und dann wären da noch die emotionalen Momente, die Dontnod Entertainment mit möglichst wenig Kitsch und dafür umso mehr Fingerspitzengefühl inszeniert. Die Beziehung zwischen Sean und Daniel wirkt natürlich und genauso sind auch die Nebenfiguren, auf die ihr in der ersten Episode trefft, weitestgehend sehr authentisch – sogar, wenn man ihre Persönlichkeiten nur innerhalb weniger Minuten vorgeführt bekommt.
Das Ausmaß von Seans Entscheidungen lässt sich nach der ersten Episode nur schwer abschätzen. Die größten Auswirkungen werden die Optionen offensichtlich auf die Beziehung zu Daniel haben, da Life is Strange 2 häufig Möglichkeiten bietet, gesondert mit ihm zu interagieren. Wirklich viel bekommt man von den Resultaten in den ersten zwei Stunden jedoch noch nicht zu Gesicht. Und trotzdem schafften es die Entwickler, mich schon jetzt wieder vollkommen in ihren Bann zu ziehen. Wohin die Reise nach der ersten Episode weitergeht, ist nur schwer einzuschätzen. Und doch gab es schon so viele interessante Momente, in denen ich entweder begeistert den nachfühlbaren Brüdern zugesehen oder in brenzligen Situationen mitgefiebert habe. Ich erlebe Angst, Freude, Verzweiflung, Hoffnung, Rassismus und bedingungslose Nächstenliebe. Und ja, auch übernatürliche Fähigkeiten spielen wieder eine Rolle, wenn auch auf eine komplett andere Art und Weise als noch im Vorgänger. Hier und da bekommen wir in der ersten Episode schon kurze Einblicke, die aber bislang unerklärt bleiben. Die Ungewissheit darüber lässt mich jedoch schon jetzt sehnsüchtig auf die Fortsetzung warten.